Armeniens Präsident Armen Sarkissjan ist zurückgetreten

Überraschender Abgang

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Der armenische Präsident Armen Sarkissjan hat am Sonntagabend seinen Rücktritt erklärt. Er war im März 2018 gewählt worden, eigentlich wäre seine Amtszeit noch weitere drei Jahre gelaufen. Der 68jährige vormalige Physikprofessor begründete seinen Rücktritt mit den fehlenden Kompetenzen des weitgehend repräsentativen Präsidentenamts. Der Präsident verfüge nicht »über die notwendigen Instrumente, um die grundlegenden Prozesse der Innen- und Außenpolitik in dieser schwierigen Zeit für das Land zu beeinflussen«, hieß es in einer Erklärung. Die Amtsgeschäfte des Präsidenten wird nun übergangsweise Parlamentspräsident Alen Simonjan übernehmen.

Sarkissjan amtierte von November 1996 bis März 1997 als armenischer Ministerpräsident. Danach war er für zwei Jahrzehnte Botschafter Armeniens in Großbritannien. Sein Rücktritt als Präsident fällt in eine unruhige Zeit, denn das Land kommt seit der Niederlage im Krieg mit Aserbaidschan im November 2020 nicht zur Ruhe. Seit Ende der achtziger Jahre schwelt der Konflikt um die Region Bergkarabach. Der Krieg im Herbst 2020 forderte etwa 6 500 Menschenleben und prägt die armenischen Politik seither. Sarkissjan hatte die Bedingungen des Waffenstillstandsabkommens, mit dem Armenien die Besetzung weiter Teile der umstrittenen Region akzeptieren musste, scharf kritisiert und zeigte sich erbost, dass er nicht an den Waffenstillstandsverhandlungen beteiligt wurde. Für die nationalistischen Proteste, die sich gegen den liberalen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan richteten, zeigte er offene Sympathie. Die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Präsident und Ministerpräsident war bereits seit längerem ein Streitpunkt, Sarkissjan hatte mehrmals gefordert, die erst seit 2015 gültige Verfassung durch eine neue zu ersetzen.

Die Forderung nach einer Verfassungsreform könnte mit Sarkissjans Rücktritt neuen Schub gewinnen. Paschinjan hatte einst selbst eine Protestbewegung gegen diese Verfassung geführt, mit der der ehemalige Präsident Sersch Sargsjan versucht hatte, die Amtszeitbegrenzung ad absurdum zu führen, indem er Kompetenzen dem Ministerpräsidenten übertrug: Er selbst bekleidete dieses Amt nach dem Ende seiner Präsidentschaft. Nachdem Paschinjan im Zuge der sogenannten Samtenen Revolution 2018 zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, fand er jedoch selbst Gefallen an der Machtfülle. Andere Parteien könnten jetzt eine Verfassungsreform zur Bedingung für die Unterstützung eines Paschinjan nahestehenden Präsidentschaftskandidaten machen.