Sergio Mattarella ist der neue alte Staatspräsident Italiens

Aller guten Dinge sind acht

Sergio Mattarella ist erneut zum italienischen Präsidenten gewählt worden. Nicht einmal er selbst ist davon begeistert.
Kommentar Von

Alles ist unverändert, doch nichts bleibt, wie es war. Sergio Mattarella ist am Samstagabend für weitere sieben Jahre zum italienischen Staatspräsidenten gewählt worden. Bis zuletzt hatte der 80jährige eine zweite Amtszeit abgelehnt und demonstrativ seinen Auszug aus dem Quirinalspalast geplant. Erst als sich nach einer Woche und sieben Wahlgängen in der aus Parlaments-, Senats- und Regions­vertretern und -vertreterinnen zusammengesetzten Wahlversammlung keine Mehrheit für eine andere Kandidatur fand, sah Mattarella sich genötigt, eine Wiederwahl zu akzeptieren. Im achten Wahlgang wurde er mit 759 von 983 abgegebenen Stimmen (insgesamt wären 1 009 möglich gewesen) im Amt bestätigt. Somit bleibt auch Mario Draghi, den Mattarella eigens vor einem Jahr mit der Führung einer parteiübergreifenden Notstandsregierung zur Bekämpfung der Pandemie betraut hatte, im Amt des Ministerpräsidenten; Draghi hatte zuvor selbst mit dem Präsidentenamt geliebäugelt. Ob die Kontinuität in den beiden höchsten Staatsämtern die Stabilität des Landes garantieren wird, ist fraglich. Denn die deutliche Mehrheit für Mattarella bezeugt keine politische Einigkeit, vielmehr offenbart die Reihe der gescheiterten Wahlmanöver die Zerrissenheit der politischen Lager.

Das rechte Bündnis aus Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia, das ursprünglich Silvio Berlusconi als Präsidentschaftskandidaten unterstützt hatte, hat bereits angekündigt, sich neu erfinden zu müssen. Nachdem Berlusconi eingesehen hatte, dass er die nötige Stimmenmehrheit in der Wahlversammlung nicht bekäme, und seine Kan­didatur noch vor dem ersten Wahltag zurückgezogen hatte, beanspruchte der Vorsitzende der Lega, Matteo Salvini, für das rechte Bündnis die Rolle des Verhandlungsführers. Doch er überschätzte sich und geriet zwischen die Fronten: Einerseits enttäuschte er die Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni, die einen dezidiert rechten Präsidentschaftskandidaten durchsetzen wollten und gegen Matta­rella stimmten. Andererseits verärgerte er den wirtschaftsliberalen Flügel seiner eigenen Partei, der sich Draghi als neuen Staatspräsidenten gewünscht hätte. Der Versuch, durch die Kandidatur einer Frau die bündnisinterne Kontroverse zwischen Neoliberalen und Neofaschisten zu kaschieren, misslang. Die Kandidatin des Bündnisses, Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati (Forza Italia), konnte die Rechte nicht vereinen.

Umgekehrt wussten die beiden anderen großen Regierungsparteien die Uneinigkeit im rechten Bündnis nicht für sich zu nutzen. Der Movimento 5 Stelle (M5S) ist durch interne Machtkämpfe fragmentiert und fand unter der Führung des ehemaligen Minister­präsidenten Giuseppe Conte zu keiner einheitlichen Position. Enrico Letta, Vorsitzender des Partito Democratico (PD), zeigte sich unwillig, einen linksliberalen Wahlvorschlag zu machen, nicht wenige in seiner Partei spekulierten früh auf Mattarellas Wiederwahl.

Als schließlich auch der letzte Vorschlag der drei Parteivorsitzenden Salvini, Conte und Letta, mit Elisabetta Belloni ausgerechnet die Koordinatorin der italienischen Geheimdienste für das höchste Amt des Staats als gemeinsame Kandidatin zu präsentieren, fraktionsübergreifend als unangemessen zurückgewiesen wurde, erschien das Festhalten an Mattarella als einziger Ausweg aus der parteipo­litischen Sackgasse. Allerdings werden die Parteien wohl bald wieder Farbe bekennen müssen. Die ökonomische und soziale Notlage im Land erzeugt gesellschaftliche Konflikte, die weder mit der Popularität Mattarellas noch mit einem Regierungsdekret von Draghi zu ­lösen sind.