Die Kunstschau ­»Documenta 15« droht, zu einer BDS-Veranstaltung zu werden

Das kann weg

Der Beschluss des Bundestags von 2019, Unterstützern der Kampagne »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS) staatliche Mittel zu versagen, scheint nicht mehr viel Bedeutung zu haben.
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Die Kunstschau »Documenta 15« droht, zu einer Veranstaltung von »israelkritischen« BDS-Anhängern zu werden. Bereits im Beirat der Documenta sowie in dem von ihm mit der Kuration der Documenta 15 beauftragten indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa finden sich jeweils mehrere Unterzeichner von BDS-Aufrufen.

Unter den 14 von Ruangrupa eingeladenen Künstlergruppen befindet sich unter anderem das palästinensische Kollektiv »The Question of Funding« aus Ramallah, das ursprünglich unter dem Namen Khalil Sakakini Cultural Center (KSCC) eingeladen worden war. Dessen Namenspatron Khalil al-Sakakini war ein arabischer Nationalist, der mit dem Nationalsozialismus wie auch offen mit Hitler sympathisierte und gegen eine »jüdische Weltverschwörung« agitierte. Der Sprecher des Kollektivs, Yazan Khalili, der von 2015 bis 2019 auch Leiter des KSCC war, schrieb 2014 in einem Text mit dem Titel »The Utopian Conflict«, Gerechtigkeit könne nur im Falle des Endes des zionistischen Staats erreicht werden. Und: Juden müssten sich vom Zionismus emanzipieren.

Ruangrupa grenzte sich nach der durch Recherchen des »Bündnisses gegen Antisemitismus Kassel« aufgeflammten Debatte pflichtschuldig von Antisemitismus ab, ohne jedoch das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Der Vorstand der Documenta schloss sich nach ­einem Krisentreffen mit Vertretern des Bunds, des Landes Hessen und der Stadt Kassel Mitte Januar der Mitteilung der Gruppe an, als er einen »politisch gesellschaftlichen Anspruch einer Perspektiverweiterung der Documenta« verteidigte und auf die vom Grundgesetz garantierte Kunstfreiheit rekurrierte. An diese knüpfte auch die »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit« an, die den BDS-Beschluss des Bundestags vom Mai 2019 als Form der Ausgrenzung und Zensur bezeichnete.

Auch die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) schloss sie sich der Haltung des Documenta-Vorstands an. Ihr Amtsleiter, Andreas Görgen (SPD), war ein Berater der »Initiative GG 5.3 Weltoffenheit«.

Noch ein weiterer Fall beunruhigt: Mitte Januar urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Stadt München ihre Räume auch der BDS-Kampagne zur Nutzung überlassen müsse. München hatte dem Veranstalter einer Podiumsdiskussion mit dem Titel »Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein? – Der Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 und seine Folgen« keine Räumlichkeiten vermietet, woraufhin der Veranstalter erfolgreich klagte. Der Beschluss des Stadtrats München, der dem des Bundestags von 2019 ähnelt, stellt fest, dass es sich bei der BDS-Kampagne nicht um legitime Kritik an der Politik der israelischen Regierung, sondern um Antisemitismus handele.

Welche Bedeutung hat der BDS-Beschluss des Bundestags überhaupt noch? In der Kunst- und Kulturbranche hierzulande mangelt es – ob aus Nachlässigkeit oder Naivität – an einer Auseinandersetzung mit neuen Formen des Antisemitismus, vor allem mit israelbezogenem Antisemitismus. Sehr zweifelhaft ist, ob das von der Documenta in Reaktion auf die Kritik angekündigte »internationale Expert*innenforum« etwas ändern kann. »Im Sinne einer offenen und vielstimmigen Debatte« sollen dort »Stimmen aus verschiedenen Bereichen, darunter Kolonialismus- und Rassismusforschung, Land Right Studies, Indigenous Studies, Holocaust- und Antisemitismusforschung, Recht, Medien sowie Kunst und Kultur« über »das Grundrecht der Kunstfreiheit angesichts von steigendem Rassismus und Antisemitismus und zunehmender Islamophobie« diskutieren.