03.02.2022
Small Talk mit Lukas Schneider von der Beratungsstelle U-Turn über Coronaproteste und Nazis in Dortmund

»Es gibt ideologische Anknüpfungspunkte«

Die Dortmunder Beratungsstelle U-Turn arbeitet präventiv gegen Rechtsextremismus und beobachtet auch die Proteste der »Quer­denken«-Bewegung. Die »Jungle World« sprach mit Lukas Schneider von U-Turn darüber, welche Menschen zu den »Querdenken«-Demonstrationen kommen und was die Bewegung für die Dortmunder Naziszene bedeutet.

Gibt es bei den Dortmunder »Querdenken«-Demonstrationen Nazis?

Auf jeden Fall. Sie sind aber keine führenden Köpfe der Szene. Ich würde schätzen, dass auf den Demonstrationen jedes Mal nur etwa zehn bis 20 Nazis dabei sind.

An den Demonstrationen nehmen insgesamt regelmäßig um die 700 Menschen teil. Die Nazis stellen hier in Dortmund bei den »Querdenken«-Protesten also kein großes Problem dar?

Das würde ich so nicht sagen. Problematisch ist weniger, dass sie die Bewegung ideologisch übernehmen könnten, sondern vielmehr, dass sie da überhaupt teilnehmen können. Da wird deutlich, dass es kaum Berührungsängste mit Neonazis gibt. Das Problem bei diesen »Querdenkern« ist, dass sie sehr heterogen sind. Es gibt da Einstellungen, die dem Neonazismus nahekommen, aber es gibt auch Leute, die sich als demokratisch verstehen. Ich glaube schon, dass Nazis bei vielen nicht gerne gesehen sind, und die ­Leute wollen auch nicht als Nazis identifiziert werden. Aber es gibt eben ideologische Anknüpfungspunkte.

Besteht die Gefahr, dass die Nazis die Proteste weiter nach rechts radikalisieren?

Ich glaube nicht, dass sie einen so großen inhaltlichen Einfluss haben. Aber was die Nazis dort bekommen, ist eine Bühne: Der Neonazismus ist eine Bewegung, die sich durch eine Propaganda der Tat präsentieren will. Und das funktioniert dort. Für die Nazis ist es ­außerdem interessant, destabilisierend zu wirken, um zu versuchen, die Gesellschaft in die gewünschte Richtung zu verändern. Deshalb sind solche Proteste von Interesse.

Im Laufe des vorigen Jahres sind einige Dortmunder Nazikader weggezogen oder in Haft gekommen. Ist die Szene dadurch schwächer geworden?

In der Außendarstellung ist die Neonaziszene in Dortmund auf jeden Fall schwächer geworden, aber ich finde es schwer, das endgültig einzuschätzen. Die Szene hat sich immer wieder gewandelt. Als der »Nationale Widerstand Dortmund« 2012 verboten wurde, hat die Szene zum Beispiel Parteistrukturen aufgebaut. Dadurch sind Straftaten wie Körperverletzungen seltener geworden, die Nazis haben sich weniger subkulturell präsentiert. Das könnte sich durch den Wegzug von Parteikadern jetzt wieder ändern. Da kommen ihnen auch die »Quer­denken«-Demonstrationen entgegen.