Der kanadische »Freedom Convoy« wird von Rechtsextremen aus den USA unterstützt

Jesus am Lenkrad

Der kanadische »Freedom Convoy« wird von Rechtsextremen vor allem aus den USA unterstützt. Doch die Spendenkonten sind nun eingefroren.

Mit der Ausrufung des nationalen Notstands reagierte der kanadische Premierminister Justin Trudeau am Montag auf die seit Wochen andauernden Proteste von Truckern im Land. Der 1988 in Kraft getretene Emergencies Act ermöglicht es unter anderem, die Konten der Protestbewegung einzufrieren.

Gerade die Finanzierung des sogenannten Freedom Convoy war zuletzt Thema nicht nur in den kanadischen Medien gewesen. Die Bewegung hatte am 22. Januar als Protest gegen die obligatorische Impfung gegen Covid-19 für den Grenzübertritt aus den USA nach Kanada begonnen, seit dem 29. Januar blockierte der »Freedom Convoy« das Parlament in der Hauptstadt Ottawa. Der Protest richtete sich nun gegen sämtliche Pandemieschutzmaßnahmen und wurde von rechtsextremen Parolen und Aktivisten dominiert. Sie erhielten Unterstützung von Sympathisanten vor allem aus den USA, die die Bewegung zudem kopieren wollten.

Die zukünftige kanadische Regierung werde ausschließlich aus Christen bestehen, verlautbarte eine Chat-Moderatorin namens Trucker Gal: »Wir werden das Königreich des Himmels bilden.«

Am Freitag voriger Woche hatte Facebook diverse Unterstützergruppen gelöscht und erklärt, deren Administratoren seien mitnichten kanadische User, sondern unter anderem in Rumänien und Bangladesh ansässig. Einige Tage zuvor hatten Analysten des Shorenstein Center der Universität Harvard festgestellt, dass viele Gruppen, die den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump unterstützen, ihre Namen geändert hatten. Sie firmieren jetzt als US-Ableger des Freedom Convoy.

Das passte zu einer Analyse der investigativen Website Grid, die als maßgebliche Unterstützer des kanadischen »Freedom Convoy« eine in Bangladesh ansässige Marketing-Firma ausmachte. Dieses Unternehmen hatte zwei der mit 170 000 Mitgliedern größten Facebook-Gruppen, »Freedom Convoy 2022« und »Convoy to Ottawa 2022«, organisiert und administriert. Dazu kam ein Account für Tamara Lich, die als Sprecherin des »Freedom Convoy« agiert. Lich, die auch als eine der Anführerinnen der kanadischen Gelbwesten-Bewegung gilt und das muslimfeindliche Projekt Clarion unterstützt, hatte unter anderem eine Spendenkampagne auf der Plattform Gofundme für den »Freedom Convoy« initiiert. Die Spendengelder, insgesamt mehr als zehn Millionen Dollar, wurden allerdings mittlerweile eingefroren. Davon unabhängig nahm die Bewegung nach Berechnungen des Guardian auf diversen anderen Plattformen 4,7 Millionen US-Dollar ein, unter anderem in Bitcoin. Hacker der Gruppe Anonymous veröffentlichten zudem die Namen und Wohnorte von mehr als 90 000 Spendern, die auf der Plattform Givesendgo Geld für den »Freedom Convoy« eingezahlt hatten.

56 Prozent der Zahlungen kamen demnach aus den USA, 29 Prozent aus Kanada und zwei Prozent aus Großbritannien. Besonders interessant an den veröffentlichten Daten: Einige Spender nutzten Mailadressen der US-Regierung und arbeiten demnach mutmaßlich im Justizministerium sowie im Ministerium für Homeland Security.

Wer die Firma aus Bangladesh beauftragt hatte, ist unklar. Gegenüber Grid hatte ihr angeblicher Inhaber erklärt, ihm liege lediglich die Freiheit am Herzen und er arbeite dafür kostenlos. Nazmul Ahasan vom Investigative Reporting Program an der University of California in Berkeley sagte er jedoch, er sei von jemandem beauftragt worden und erhalte 23 US-Dollar pro Tag für seine Dienste. Das deckt sich mit Recherchen der australischen Website Crikey, die herausfand, dass an der Planung und Promotion des Ablegers »Convoy to Canberra« ebenfalls ein Unternehmen aus Bangladesh federführend beteiligt war. Die entsprechende, mittlerweile gelöschte Facebook-Gruppe hatte wie ihre kanadischen Pendants 170 000 Mitglieder, der Administrator war Crikey zufolge eine ursprünglich mit einem anderen Namen bei Facebook angemeldete Kunstfigur, deren Bild, wie technische Analysen des Projekts First Draft News und des Londoner Think Tanks Institute for Strategic Dialogue ergaben, von einem Computer generiert worden war.

Der Begeisterung rechter und verschwörungstheoretischer Kreise über den »Freedom Convoy« taten diese Enthüllungen keinen Abbruch. In sozialen Medien deutet man hier die Verhängung des Notstands zum Sieg um, dem sicher bald die Machtübernahme durch die Trucker folgen werde.

Wie die Protestbewegung tickt, zeigte sich am Montag bei einem »Notfalltreffen«, in dem es vordringlich um Möglichkeiten gehen sollte, an das Geld auf eingefrorenen Bankkonten heranzukommen. Rund 20 000 Menschen nahmen an dieser kurzfristig anberaumten Veranstaltung teil. Während die einen in ihren Redebeiträgen zwischen triumphalen Beschwörungen, dass die »Freedom Truckers« gewonnen hätten und bald die Regierung übernehmen würden, sowie großem Gejammer über die mächtigen Gegner wie »Soros und die Antifa« changierten, erwarteten andere konkrete Antworten. Sie schilderten ihre alltäglichen Probleme als selbständige Lastkraftfahrer. Den Protesten hatten sie sich offenkundig angeschlossen, weil sie eine Verbesserung ihrer beruflichen Situation erhofften. Nun, sagten sie, seien sie verzweifelt, denn die Ersparnisse seien fast aufgebraucht und es drohe die Kündigung ihrer Konten.

Hilfsangebote bekamen diese Männer nicht, stattdessen wurde gebetet. Sie sollten sich nicht sorgen, wurde ihnen gesagt, Jesus werde das Lenkrad übernehmen und sie in eine bessere Zukunft führen. Die zukünftige kanadische Regierung werde nämlich ausschließlich aus Christen bestehen, verlautbarte eine Chat-Moderatorin namens Trucker Gal: »Wir werden das Königreich des Himmels bilden.« Und eine neue Währung einführen, »aus echtem kanadischen Stahl«, für deren Münzproduktion die Minen in Alberta wieder geöffnet werden sollen.

»Hold the line!« wurden die Trucker immer und immer wieder beschworen. Dies war eine Parole der Trump-Anhänger nach der verlorenen Präsidentschaftswahl gewesen – und ihre Verwendung ist kein Zufall, denn die Protestbewegung wurde maßgeblich von Qanon-Anhängern und Impfgegnern aus Kanada sowie den USA organisiert und weltweit bekanntgemacht.

International machten sich entsprechend viele Anhänger von Verschwörungstheorien bereits Hoffnungen, dass auch in ihren Ländern bald LKW-Fahrer Städte und Straßen effektiv lahmlegen könnten. In den USA war zudem angekündigt worden, dass eines der ersten Ziele der dort geplanten »Freedom Convoys« die Blockierung des Super Bowl am Wochenende sein werde. Obwohl prominente Rechtsextreme diese Nachricht begeistert verbreiteten, verlief das größte Sportereignis der USA störungsfrei. In Berlin war ein ebenfalls groß angekündigter Trucker-Protest ein Flop, an dem nur wenige Fahrer überwiegend von Kleintransportern teilnahmen. Das war nicht sehr überraschend, die meisten Fahrer für deutsche Speditionen kommen aus Osteuropa und können sich einen Verdienstausfall nicht leisten. Außerdem sind derartig große Lastwagen, wie sie in Nordamerika üblich sind, in Deutschland nicht zugelassen.