Small Talk mit Stefan Diefenbach-Trommer über die bedrohte Gemeinnützigkeit der politischen Bildung

»Viele Vereine ducken sich weg«

Das Demokratische Zentrum (DemoZ) in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) kämpft um seine Gemeinnützigkeit. Das Finanzamt hatte dem linken Verein die Steuerbegünstigung entzogen, weil er seine politische Bildung angeblich nicht »in geistiger Offenheit« betreibe. Die »Jungle World« sprach mit Stefan Diefenbach-Trommer, dem Vorstand der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung, über den Fall und darüber, ob politische Bildung von eigenen Haltungen ausgehen darf.
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Was ist die Allianz Rechtssicherheit für politische Willens­bildung?

Die Allianz ist ein Zusammenschluss von fast 200 Vereinen und Stiftungen, die mit ihrer Arbeit an der politischen Willensbildung mitwirken, darunter auch das DemoZ. Sie haben sich zusammen­getan, weil sie immer wieder an Grenzen stoßen, insbesondere beim Gemeinnützigkeitsrecht. Es geht dabei um die Frage, inwieweit sich zivilgesellschaftliche Organisationen in die Politik einmischen dürfen.

Das DemoZ streitet bereits seit mehr als zwei Jahren um seine Gemeinnützigkeit, vergangene Woche hat es eine Untätigkeitsklage gegen das Finanzamt eingereicht. Was ist das Besondere an dem Fall?

Beim DemoZ geht es um die Fragen: Was ist politische Bildung und darf sie auch von einer Haltung ausgehen? Da geht es um den Begriff der »geistigen Offenheit«, den der Bundesfinanzhof im Verfahren gegen die NGO Attac eingeführt hat und von dem man nicht so genau weiß, was er eigentlich bedeutet. Das Besondere ist, dass ein so kleiner ehrenamtlich betriebener Verein diesen großen Streit führt. Viele Vereine ducken sich davor weg und zeigen lieber keine Haltung, bevor sie Ärger mit dem Finanzamt bekommen. Das macht die demokratische Auseinandersetzung leiser und weniger ausgewogen.

In der Begründung des Finanzamts Ludwigsburg hieß es, dass einzelne Gruppen des DemoZ eine »herrschaftsfreie Gesellschaft« anstrebten. Kann man nicht Herrschaft ablehnen und trotzdem gemeinnützig sein?

Ich würde sagen: ja. Weil nicht festgelegt ist, was falsch und richtig ist in dieser Welt. Es gibt selbstverständlich den verfassungsrechtlichen Rahmen, in dem sich ein Verein bewegen muss. Dass Herrschaftsfreiheit die Verfassung in Frage stellt, würde ich aber bezweifeln. Es handelt sich auch weniger um ein konkretes Ziel als um eine Grundhaltung. Kirchliche Vereine gehen auch von einer Grundhaltung aus, die nicht alle teilen, und sind dennoch gemeinnützig. Es kann nicht sein, dass ein Finanzamt entscheidet, ob eine Grundhaltung in Ordnung ist oder nicht.

Richtet sich der Begriff der »geistigen Offenheit« vor allem ­gegen linke Projekte?

In der Praxis scheint es so, dass vor allem Vereine, die eher auf ­gesellschaftliche Veränderung als auf Bewahrung hinwirken, von dem Problem betroffen sind.

Was sollte sich ändern?

Es braucht eine Klarstellung, was unter politischer Bildung überhaupt verstanden wird. Wir brauchen eine intensive Debatte, was wir unter Gemeinnützigkeit verstehen und wie wir dafür sorgen können, dass Organisationen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, einen gesicherten Handlungsspielraum haben.