Das neue Album »Musik« von Acht Eimer Hühnerherzen

Albernes Scheitern

Schlicht »Musik« haben Acht Eimer Hühnerherzen ihr drittes Album genannt. Darauf frönen sie, wie auch schon zuvor, der Montage alltäglicher Sprach- und Sinnsplitter.

Als Apocalypse Vega, die Sängerin und Gitarristin von Acht Eimer Hühnerherzen, 2018 in einem Interview auf die für Vegetarier offenbar negativen Assoziationen des Bandnamens angesprochen wurde, gab sie eine vielsagende und für die Programmatik der Gruppe bezeichnende Antwort: Ein Name, »das ist doch Sprache, das ist Kunst. Für mich steht da nichts mit Fleischkonsum da­hinter. Unsere Vorstellung ist eher ein bestimmtes Bild. Herzen von nicht fliegen könnenden Vögeln – und wie dramatisch das ist.« Es ist dieses Gespür für Bilder der Vergeblichkeit, verbunden mit einem außerordent­lichen Sinn für Sprache als Medium und Material, die Acht Eimer Hühnerherzen zu einer Ausnahmeerscheinung machen.

Jetzt hat die Band ihr drittes Studioalbum veröffentlicht, 15 Songs in sportlichen 41 Minuten, die teils sehr schnell vergehen, teils eine ganz eigene Dauer entfalten. Es heißt schlicht »Musik« und knüpft schon mit seinem Titel – nach »Album« von 2020 und dem Erstling »s/t« von 2018 – an die für das Kreuzberger Trio charakteristische Selbstreferentialität und seinen Sinn für Understatement an, die man mittlerweile wohl schon als eine Tradition bezeichnen könnte. Dass die Bandmitglieder nur unter Phantasienamen auftreten – neben Apocalypse Vega besteht das Kombinat aus Herrn Bottrop (Bass) und Bene Diktator (Schlagzeug) – und nur virtuell Präsenz zeigen, ist Ausdruck des Willens zur Distanzierung der betont nicht internetaffinen Band. Ihre Instagram-Seite wird fast ausschließlich mit handbeschriebenen Polaroid-Fotos bestückt; dass das einzige Streaming-Konzert, das die Gruppe bisher gespielt hat, trotz »guten Zwecks« den Bandmitgliedern nicht behagte, war kaum zu über­sehen.

Noch immer bewegen sich Acht Eimer Hühnerherzen im Niemandsland zwischen Lo-Fi-Punk, hibbeligem Indie und patzigem Chanson mit einer Prise Riot-Grrrl-Wut.

Schon die vorherigen Veröffentlichungen der Band waren von einem wunderbaren Hang zur Verknappung und Fragmentierung bestimmt. Die Lieder wie die Texte neigten zur Kürze, Worte gruppierten sich zu kleinen, wechselnden Sinneinheiten statt zu langen Gedankengängen und jede vermeintliche Bedeutung konnte sich schon im nächsten Moment vom Sprachmaterial, von Reim und Klang und Dissonanz ablenken lassen, konnte sich umkehren oder einfach abbrechen. Und dennoch geschieht beispielsweise in den 101 Sekunden von »Sonntagslied« auf dem Debütalbum »s/t« mehr als in jedem x-beliebigen anderen Song über Trennungen, sogenannte Bindungsängste und die Sehnsucht nach dem Neuanfang. Keine säuselnde Introspektion reicht an den Bilderreichtum und die Phantasie über den Zusammenhang von Liebe, Begehren und die Kompromisslosigkeit des Wunsches nach »Quittenbrause« heran, das die wunderbare Zeile »Ich glaube, es wird irgendwas mit nackig« enthält. Die auch in der Traurigkeit noch heitere und manchmal im besten Sinne alberne – und dadurch die Albernheit der Alltagssprache offenlegende – Montage von Gesprächsfetzen und Wirklichkeitssplittern liegt jenseits von Parolen, Diskurs oder Befindlichkeiten.

Musikalisch ist »Musik« keine Neuerfindung, eine solche war auch gar nicht nötig. Noch immer bewegen sich Acht Eimer Hühnerherzen im Niemandsland zwischen Lo-Fi-Punk, hibbeligem Indie und patzigem Chanson mit einer Prise Riot-Grrrl-Wut. Aber klanglich hat sich das neue Album erweitert, als hätte die Enge des Proberaums dazu provoziert, aus ihm auszubrechen. Hier und da ein bisschen mehr Verzerrung, ein Klavier, eine Orgel, ein Glockenspiel und Bläser spuken durch das Album und sogar die beiden Herren in der Band dürfen mal ein ­ganzes Lied singen.

Die charakteristische Gedämpftheit ihrer Lieder führt direkt in die Gründungszeit der Band zurück. Eines der ersten Konzerte von Acht ­Eimer Hühnerherzen fand auf einer Beerdigung statt, die eine Punkband in voller Lautstärke nicht vertragen hätte. Das vielleicht schönste und zugleich traurigste Stücke der Platte, »Requiem«, hätte dort gespielt werden können. Es beginnt mit einer Klavierpassage und wird im Refrain von Posaunen untermalt, dar­über die wunderschöne Stimme von Apocalypse Vega. Zwar handelt das Lied vom Tod, aber es ist weder klagend noch schwermütig. Stattdessen hält es dem Leben – als zu ­änderndem – dadurch die Treue, dass es das Sterben ohne existentialistische Tiefgründigkeit als die Sinnlosigkeit besingt, die es ist: »Wenn wir sterben, liegt alles einfach rum / Alle Gründe, jedes Kohlenstoffatom / Und die, die bleiben, bleiben ungerecht und dumm«.

Solche morbiden Momente gibt es auf »Musik« immer wieder, aber sie bleiben so flüchtig wie das Glück­, das in den Liedern vornehmlich als ­Gesuchtes, Gewünschtes und also Abwesendes auftaucht. Sie handeln vom Scheitern des Sprechens, Liebens, Wollens und Könnens, ohne jedoch in Resignation abzugleiten. Vor allem dort, wo es um das Beziehungsgefädel zwischen den Menschen, romantische Routinen, Ausbruchsphantasien und nicht zuletzt um unangenehme Männerfiguren geht, gewinnen die Lieder besondere Prägnanz, werden feministisch wie die Texte der Lassie Singers. »Die Welt ist groß und du bist klein / Mit dir allein kann ich nicht glücklich sein«, heißt es in »Scheiß Cowboys«, dessen Titel an den bereits in »Tränengas« (auf dem Debütalbum) besungenen »Cowboy mit Einbauküche« denken lässt. »Es ist so schön, wenn du schweigst / Und mir mal nicht die Welt von außen zeigst«, wird in »Straße der Gewalt« einem vermutlich männlichen, in der wortreichen Sortierung der Wirklichkeit geübten Gegenüber entgegnet, das ­sowohl ein Partner als auch ein Politaktivist sein könnte, wenn nicht gar beides in einem.

Das musikalische Subjekt, das solche und andere Zeilen singt, regis­triert die Floskeln und Projektionen des Alltags ebenso wie das eigene Scheitern an einer Welt, in der Bücher nicht helfen (weder die des im gleichnamigen Song auftauchenden »Sartre« noch die Voltaires) und die in den vergangenen zwei Jahren nicht größer, sondern kleiner geworden ist. In »Futur 25« werden Versatzstücke der vermutlich millionenfach ­geführten Gespräche über das immer wieder verschobene Danach der Pandemie aufgeschnappt und durcheinandergeworfen, wobei sich die Zeitbezüge so verfugen, dass am Ende die Zukunft ganz verschwindet und nur noch ein bedrückend enges, kaum noch als solches fassbares Präsens bleibt. »Weißt du schon, wie wir denken werden, wie schön es wird?« wird dort gefragt, aber die Antwort ist nichts als ein Blick aus dem Fenster, der nur noch wiedergeben kann, was auch gestern schon da war: »Raben, Möwen, Tauben, Spatzen, Hunde, Menschen, Ratten, Müll / Alles hier wie immer / Ich zähl’ die Meter meines Zimmers neu«.

»Kannst du mir einen Wunsch verkaufen? / Dann wär’s sicherer, dass es klappt«, wird im letzten Song des Albums gefragt, was mit einem be­jahenden »Na dann« im Refrain quittiert wird. Das unterstreicht die Hoffnung, die auch in den traurigsten und verzwicktesten Momenten des Albums noch spürbar ist: dass es einmal »klappt«.

Acht Eimer Hühnerherzen: Musik (Kidnap Music)