Das Buch »Pierre Bourdieu und die Fotografie« über die Bilder des Soziologen

Die Konversion des Blicks

Ein neuer Band widmet sich den verschiedenen Bedeutungen der Fotografie im Werk des Soziologen Pierre Bourdieu.

Das Fotografieren sei für ihn eine Art und Weise gewesen, seinen »Blick zu schärfen, genauer hinzusehen, einen Zugang zum Thema zu erlangen«, sagte der französische Soziologe Pierre Bourdieu rückblickend in ­einem Interview.

Das Thema war in diesem Fall schwierig: Als junger Ethnologe war Bourdieu Ende der fünfziger Jahre in Algerien. Seit 1954 herrschte dort Krieg, die antikoloniale Befreiungsfront (Front de Libération Nationale, FLN) kämpfte gegen die Truppen der Kolonialmacht Frankreich. Bourdieu war zunächst als Wehrpflichtiger nach ­Algerien gekommen, ab 1958 arbeitete er dort als Sozialforscher. Er erhob Daten und führte Interviews, um die Auswirkungen der kolonialen Gewalt besser zu verstehen. Zu seinen Forschungsmethoden aber gehörten nicht nur die klassischen Befragungen und Recherchen, ­sondern eben auch das Fotografieren. Ungefähr 3 000 Bilder machte Bourdieu in den etwa drei Jahren seines Forschungsaufenthalts. Der Frage, welche Bedeutung sie nicht nur für diese ethnologische Feldforschung zu Beginn der Karriere des Soziologen, sondern auch allgemein für sein Werk haben, geht der Band »Pierre Bourdieu und die Fotografie« nach.

Bourdieus Fotos widersetzten sich der kolonialen Bildsprache, die »die Anderen« in ihrer Andersheit ausstellte. Er machte Porträts und fotografierte städtische Alltagsszenen, lichtete in den Dörfern auch vermeintliche Kleinigkeiten wie Vasen und architektonische Ornamente ab.

Franz Schultheis, der sich noch bei Bourdieu habilitierte und danach mit ihm zusammenarbeitete, hat das Buch gemeinsam mit dem kürzlich verstorbenen Soziologen Stephan Egger herausgegeben. Bourdieu habe die Fotografie, schreibt Schultheis in der Einleitung, »aktiv und systematisch als Teil seiner Forschungskonzepte zur Beobachtung, Beschreibung und Analyse gesellschaftlicher Phänomene« genutzt.

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