Soldatische Männlichkeit bekommt einen modernen Anstrich

Echte Männer starten keinen Weltkrieg

Die Kritik an Putins »toxischer Männlichkeit« zeigt, für was dieser Begriff zu gebrauchen ist: Eine individualisierende Psychologisierung von patriarchalen Strukturen und die Modernisierung des soldatischen Mannes in Europa.

Das deutsche Feuilleton ist im Krieg. Die Ukraine-Krise hat eine intensive Debatte über Militarisierung und »deutsche Verantwortung« losgetreten. Ganz vorne mit dabei: die Sorge um Männlichkeit.

Rechte und konservative Liberale sehen sich in ihren Warnungen vor den Auswirkungen westlicher Dekadenz bestätigt. Die Kaltschnäuzigkeit und Härte des russischen Präsidenten Wladimir Putin habe ein für alle Mal bewiesen, dass moderne Demokratien sich zu viel mit vermeintlichem Firlefanz wie Gendersternchen und Transrechten abgegeben hätten. Wehrhaftigkeit, Ehre und Mut seien dabei auf der Strecke geblieben, denn: »Die Freiheit wird nicht am Tampon-Behälter in der Männertoilette verteidigt«, so Ulf Poschardt, der Chefredakteur der Welt, sondern »am Hindukusch und ganz konkret bei unseren Freunden in der Ukraine«. Diese als Einsicht in die Notwendigkeit getarnte Bewunderung von soldatischer Männlichkeit und gesellschaftspolitischer Illiberalität ist aber nur die eine Seite der Medaille.

Das Feuilleton schreibt nicht für die Ukrainer, sondern für seine deutschen Leser, denen eine rüstungspolitische »Zeitenwende« bevorsteht.

Das Vorgehen Russlands, das bei den einen als Ausdruck von Putins Manneskraft gegenüber westlicher Verweichlichung gedeutet wird, sehen wiederum manche Linksliberale als Ausdruck »toxischer Männlichkeit«. Dabei wird ein komplexer Konflikt, in dem geopolitische Interessen und Ideologien eine Rolle spielen, aus dem Charakter des russischen Präsidenten abgeleitet.

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