Der schönste Platz im All
Revolutionen sollen ja, so schrieb es jedenfalls Karl Marx im 19. Jahrhundert, die »Lokomotiven der Weltgeschichte« sein. Walter Benjamins Einspruch, dass sie vielmehr der Griff jenes im Zug dahinrasenden Menschengeschlechts nach der Notbremse sein könnten, speist sich aus der historischen Niederlage der revolutionären Arbeiterbewegung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Entsprechend ging es Benjamin um eine Kritik des dort vorherrschenden mechanistischen Geschichtsbegriffs, dem zufolge es mit »der Revolution« wegen der historischen Gesetzmäßigkeiten früher oder später hinhauen müsse. Doch beide Bilder der Revolution – als Lokomotive oder Notbremse – werden meist von jenen gegeneinander in Anschlag gebracht, die diese ohnehin »wie die Sünde hassen« (Friedrich Ebert) und jeden Gedanken an sie zu zerstreuen suchen. Benjamin monierte durchaus Marx folgend, dass die zu seiner Zeit sich als proletarisch verstehenden Revolutionen weder sich beständig selbst kritisierten noch grausam-gründlich genug die Halbheiten ihrer ersten Versuche verhöhnten – bis endlich eine Situation geschaffen sein sollte, so das Narrativ der proletarischen Revolutionen, die jede Umkehr unmöglich mache.
Das bestehende Gesellschaftssystem verschlechtert die Lebensbedingungen aller bis ins Unerträgliche.
Letzteres scheint die in rasendem Stillstand befangen gebliebene Menschheit tatsächlich im Negativen erreicht zu haben, weil die Herrschaft der zweiten Natur nicht aufzuheben vermocht wurde. Künftige Generationen werden es mit einer ersten Natur zu tun haben, die wohl kaum noch Anlass zu rückwärtsgewandten Romantisierungen bietet, wie sie im Zuge der Industrialisierung aufgekommen sind.
Die nicht aus freien Stücken global assoziierte und zugleich durch vielfache Ismen getrennte Menschheit tanzt nach der Pfeife des Kapitals Tarantella und muss alltäglich unter unwürdigen Bedingungen jene Welt herstellen, in der die kurzfristige individuelle Reproduktion im Unterminieren der langfristigen gattungsmäßigen Reproduktion und der natürlichen Lebensgrundlagen ihren Preis findet.
Zur Auflösung der Situationistischen Internationalen schrieben Guy Debord und Gianfranco Sanguinetti bereits vor 50 Jahren: Die Gesellschaft, die alle technischen Mittel besitze, um die biologischen Existenzgrundlagen auf der gesamten Erde zu verderben, sei die gleiche Gesellschaft, die über alle Mittel verfüge, um genau zu prognostizieren, bis zu welchem Grad der Auflösung des menschlichen Milieus das Wachstum der entfremdeten Produktivkräfte der Klassengesellschaft zielführend weitergetrieben werden könne. Somit sei die alte Parole »Revolution oder Tod« nicht mehr der lyrische Ausdruck eines revoltierenden Bewusstseins, sondern das letzte Wort des dialektischen Denkens im ausgehenden 20. Jahrhundert. Umweltzerstörung und Proletariat seien die beiden konkreten Seiten der Kritik der politischen Ökonomie. Die Produktionsverhältnisse und die Produktivkräfte hätten schließlich einen Punkt radikaler Inkompatibilität erreicht, denn das bestehende Gesellschaftssystem habe sein Schicksal daran geknüpft, die Lebensbedingungen aller immer weiter bis ins buchstäblich Unerträgliche zu verschlechtern.
Und dann kamen die Grünen! Was für eine Zeitverschwendung.
Dystopien? – Nein danke! Benjamin schrieb: »Dass es so weiter geht, ist die Katastrophe.«