Russische Vermögen in Deutschland und die Sanktionen der EU

Krieg den Jachten

Zahlreiche russische Multimilliardäre wurden mit Sanktionen belegt, auch ihr Auslandsvermögen soll beschlagnahmt werden. Doch besonders in Deutschland gestaltet sich das schwierig.

Die möglicherweise größte Segeljacht der Welt wurde kürzlich in Italien beschlagnahmt. Sie ist 143 Meter lang, soll rund 530 Millionen Euro wert sein und dem russischen Milliardär Andrej Melnitschenko gehören. Die Jacht ­»Dilbar« kostet sogar schätzungsweise 600 Millionen Euro und gehört vermutlich Alischer Usmanow, einem der reichsten Bürger Russlands. Sie liegt in Hamburg – und wird dort zwar auf behördliche Anweisung festgehalten, aber bislang nicht konfisziert. Das Auslandsvermögen russischer Oligarchen ist zum Ziel von EU-Sanktionen geworden, doch gerade in Deutschland gestaltet sich deren Vollzug schwierig.

Seit dem Ende der Sowjetunion haben reiche Russen riesige Vermögen ins Ausland geschafft. Insgesamt sollen es 1,3 Billionen Dollar sein, schätzt der Wirtschaftswissenschaftler Filip Novokmet, der an der Universität Bonn über Ungleichheit und Eigentum in Russland forscht. Das sei etwa genauso viel, wie der Rest der Bevölkerung derzeit besitze.

Alischer Usmanow, einem der reichsten russischen Bürger, gehören mehrere Villen am Tegernsee.

Dieses Geld fließt insbesondere in Immobilien, Firmenbeteiligungen und teure Statussymbole wie Jachten, vorzugsweise in europäischen Ländern wie vor allem Großbritannien, aber auch in Deutschland. Wenn im Zuge der Sanktionen diese Vermögenswerte konfisziert werden sollen, braucht es eindeutige Beweise, um die jeweiligen Eigentümer zu identifizieren. Und damit beginnen die Probleme. In Deutschland und vielen anderen Staaten müssen Häuser, Jachten oder Flugzeuge nicht unter dem richtigen Namen der Besitzer registriert werden. Häufig sind sie in Steueroasen auf Briefkastenfirmen angemeldet, deren rechtliche Konstruktionen nur schwer nachvollziehbar sind. Einen Einblick bieten oft nur Datenlecks, wie ­beispielsweise die »Panama ­Papers«, die »Offshore Leaks« oder die »Bahamas Leaks«.

In Deutschland könne »bis heute jeder, der es darauf anlegt, sein Eigentum durch Schattenfinanzstrukturen verschleiern«, meint daher Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency International Deutschland. Die Organisation geht davon aus, dass jährlich rund 100 Milliarden Euro in Deutschland gewaschen werden. Etwa 15 bis 30 Prozent der kriminellen Vermögenswerte werden in Immobilien investiert, heißt es in einer von Transparency in Auftrag gegebenen Studie von 2018. Wegen seiner Größe mit rund 645 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung im Jahr 2021 bietet der deutsche Immobilienmarkt ein großes Potential für Geldwäsche.

Die Recherchegruppe »Russian Asset Tracker«, an der auch der NDR und der WDR beteiligt sind, hat für Deutschland immerhin einige Vermögen zuordnen können. So zum Beispiel dem eingangs erwähnten Jachtenbesitzer Alischer Usmanow, dem mehrere Villen am Tegernsee gehören. Der russische Oligarch Aleksej Mordaschow wiederum war Hauptaktionär des weltgrößten Reisekonzerns Tui mit Sitz in Berlin und Hannover. Als er Ende Februar auf der Sanktionsliste der Europäischen Union landete, konnte ihm sein Anteil von 34 Prozent nicht mehr zugeordnet werden. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass seine Ehefrau über eine Firma mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln weiterhin 30 Prozent der Anteile von Tui hält.

Wie undurchsichtig die Eigentumsverhältnisse bei Immobilien in Deutschland häufig sind, zeigte auch die Untersuchung »Wem gehört die Stadt?« der Recherchegruppe Correctiv. Bei Tausenden Wohnungen in deutschen Städten konnte nicht oder nur schwer nachvollzogen werden, wem sie eigentlich gehören. In der Vergangenheit wollte schließlich niemand so genau wissen, woher die enormen Summen stammten, die in den Immobilienmarkt angelegt wurden und von denen viele in Deutschland profitierten.

Seit 2017 gibt es zwar ein sogenanntes Transparenzregister, das Einblick in ­Eigentumsverhältnisse bieten soll, doch gilt dieses als lückenhaft und wird kaum kontrolliert. Unter anderem die Grünen fordern deshalb seit langem ein erweitertes zentrales Immobilienregister. Vor einem Jahr ist ein entsprechender Antrag des Landes Berlin noch im Bundesrat gescheitert. Im ­Koalitionsvertrag der Ampelkoalition hieß es, man wolle die bestehenden Transparenzregister verbessern, »um die Verschleierung der wahren Eigen­tümer von Immobilien zu beenden«.

Die Eigentümer zu identifizieren, ist sicher ein wichtiger Schritt, bedeutet aber nicht, dass ihre Immobilien ohne weiteres konfisziert werden können. In Deutschland scheitern diese Vorhaben oft an der konfusen Aufgabenverteilung bei den Behörden. Das Bundeskriminalamt hat deswegen kürzlich mit dem Aufbau einer Task Force begonnen. Und auch die EU-Kommission hat erst Mitte März eine sogenannte »freeze and seize«-Task Force gegründet.

Andere Länder sind da schon weiter. In den USA besitzt das Finanzministerium mit dem Office of Foreign Assets Control direkte Kontrolle über alle schwarzen Listen weltweit geltender Sanktionen. In Italien verfügt die Finanzpolizei Guardia di Finanza über weiterreichende Kompetenzen und 60 000 Mitarbeiter, die militärisch organisiert sind. In Deutschland sind bei der dem Zoll unterstehenden Financial Intelligence Unit (FIU), die Geldwäsche aufklären soll, hingegen gerade mal rund 500 Mitarbeiter tätig.

Doch selbst wenn russische Oligarchen künftig konsequenter sanktioniert werden könnten, bliebe es zweifelhaft, ob damit ein Kurswechsel in der russischen Politik herbeigeführt werden kann. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jan van Aken von der Linkspartei hält diese Strategie zwar sogar für wirkungsvoller als Waffenlieferungen an die Ukraine, die er wiederum ablehnt. »Diejenigen, die die Wirtschaft und darüber den Zuspruch zu Putin tragen, die muss man treffen«, sagte van Aken kürzlich gegenüber der Zeit: »Ich rede nicht über 20 Oligarchen, sondern über 200 000 Millionäre, die es in Russland gibt.« Doch derzeit sieht es eher so aus, als wäre die russische Staatsführung bereit, enorme wirtschaftliche Kosten für ihren Kriegskurs in Kauf zu nehmen. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Vermögenden in Russland über irgendeinen politischen Einfluss auf Präsident Wladimir Putin verfügen oder es für ratsam halten, sich gegen ihn zu stellen. Im Gegenteil. Viele von ihnen, wie Alischer Usmanow, haben bereits öffentlich ­erklärt, dass sie bereit seien, dem Staat alles zu geben, was sie besitzen.