Die deutsche Begeisterung für den nationalen Kampf in der Ukraine

Von Nation zu Nation

Hinter der deutschen Solidarität mit der Ukraine verbirgt sich auch eine fragwürdige Begeisterung für den nationalen Kampf. Den Menschen in der Ukraine ist damit nicht geholfen.

Deutschland erstrahlt blau-gelb, »wir« sind alle Ukrainerinnen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass in der derzeitigen Lage Menschen mit den Farben und Fahnen der Ukraine auf die Straße gehen. Für viele ist das der einfachste Weg, ihre Solidarität mit den Opfern des russischen Angriffskriegs auszudrücken.

Doch die derzeit zu beobachtende deutsche Kriegsbegeisterung geht über eine solche Solidarität hinaus. Fast überall wird das nationalistische Pathos gefeiert, man liest Heldengeschichten der tapferen ukrainischen Männer. Zahlreiche Medien verbreiten den Mythos vom stolzen, wehrhaften Volk, das sich mit Traktoren oder mit bloßen Händen gegen die russische Invasion stellt. In großen Zeitungen liest man vor Bewunderung triefende Reportagen über im Ausland lebende Ukrainer, die zurückreisen, um »ihr Land« zu verteidigen. Verzweiflung und Angst werden zu Heldentum verklärt.

Auf dem Weg zu einer neuen deutschen Normalität wird im deutschen Feuilleton schon darüber nachgedacht, »was Putin mit Hitler verbindet«.

Man bekommt das Gefühl, dass einige fast neidisch sind auf den Platz an der Front. Die Sehnsucht nach Kriegsnationalismus ist deutlich zu spüren. Karl Schlögel, Historiker und Preisträger der Leipziger Buchmesse 2018, schwärmte im Interview mit dem Freitag von den »Zehntausenden«, die sich in der Ukra­ine gerade Waffen aushändigen lassen, von den »Patrioten, die für das einstehen, was meine Generation gratis bekommen hat: Freiheit und Frieden«. Vorige Woche titelte der Spiegel mit einem Cover in Actionfilm-Ästhetik: »Die Unbeugsamen: Wie die Ukrainer der russischen Übermacht trotzen«. In der schon seit Jahrzehnten verkündeten »postheroischen Gesellschaft« sind plötzlich wieder Helden da, und dann gleich eine ganze Nation.

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