Die russischen Nationalbolschewisten unterstützen den Krieg gegen die Ukraine

Z wie für den Sieg

Auf einer Konferenz in Sankt Petersburg tauchten Nachfolger der Nationalbolschewistischen Partei zusammen mit der KPRF auf.

»Za pobedu«, »Für den Sieg«, ist zum Slogan der russischen Propaganda geworden. »Za« wird dabei auch im Rus­sischen mit dem lateinischen Buchstaben Z geschrieben. Dieser ist das Zeichen der »militärischen Sonderoperation«, also des russischen Angriffskriegs seit dem 24. Februar, das auf viele russische Militärfahrzeuge gemalt ist. »Za pobedu« war denn auch eine Konferenz betitelt, zu der am 20. März in Sankt Petersburg unter anderem die Kommunistische Partei der Russländischen Föderation (KPRF) eingeladen hatte. Die KPRF gab freilich Leningrad als Veranstaltungsort an, den Namen der Stadt bis 1991.

Weitere Veranstalter der Konferenz waren zwei nicht offiziell registrierte Kleinstparteien, die »Rot Front – Russische vereinigte Arbeitsfront« sowie »Das andere Russland E. W. Limonows«. Bei Letzterer handelt es sich um die Nachfolgeorganisation der 2005 verbotenen Nationalbolschewistischen Partei Russlands. Der Name erinnert nicht von ungefähr an das oppositionelle Parteienbündnis »Anderes Russland« unter Vorsitz des ehemaligen Schachweltmeisters Garri Kasparow. An diesem waren die Nationalbolschewisten ­unter ihrem damaligen Anführer, dem 2020 verstorbenen Eduard Limonow, beteiligt gewesen.

Putin abzulehnen und dennoch dessen kriegerisches Großmacht­streben zu unterstützen, ist für die Nationalbolschewisten kein Widerspruch.

In der ersten Ankündigung der Veranstaltung war außerdem noch ein Redner der monarchistischen Russischen Reichsbewegung (RID) aufgeführt. Mitglieder dieser rechtsextremen Orga­nisation kämpfen seit 2014 im Donbass, sie ist in den USA und in Kanada als ausländische Terrororganisation gelistet. Russische Monarchisten also gemeinsam mit Nationalbolschewisten – eine denkwürdige Verbindung. Doch soll die Reichsbewegung ihre Teilnahme dann selbst abgesagt haben.

Zu einer Querfrontveranstaltung wurde es aber auch ohne RID: Das linke Anliegen, gemeinsam die Oligarchen zu bekämpfen, sei im Moment zweitrangig, rechte und linke Patrioten dürften sich nicht spalten lassen. Wenn Kiew, Odessa und die anderen Städte befreit seien, könne man wieder die korrupte Elite bekämpfen. So äußerte sich der Mitorganisator Andrej Dmitrijew von »Das andere Russland E. W. Limonows«, wie einem auf Youtube veröffentlichten Video der Veranstaltung zu entnehmen ist. Zunächst aber müsse die Ukraine von den »Nationalsozialisten« und »Judäo-Banderianern« befreit werden, wie es ein anderer Redner ausdrückte. Mit »Banderianern« sind ukrainische Nationalisten gemeint –Anhänger des Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera. Offenbar können russische Nationalisten das Feindbild der »ukrainischen Nazis« auch problemlos antisemitisch aufladen.

Nicht nur die Russische Reichsbewegung kämpft (immer noch) in der Ost­ukraine, auch die Nationalbolschewisten des »Anderen Russland« haben unter der Bezeichnung »Interbrigaden« bereits 2014 eine paramilitärische Freiwilligentruppe geschaffen. Ein regionaler Parteiableger wurde sechs Tage vor Kriegsbeginn in Donezk gegründet. Man wolle, so die offizielle Erklärung, den Donbass im Kampf für die Rückkehr ins Heimatland unterstützen. Dieses »Neurussland« solle dann um Gebiete von Charkiw bis Odessa ausgeweitet werden, damit »die Sonne des Nationalbolschewismus über dem ganzen russischen Land« aufgehe.

Das war ganz im Sinne Eduard Limonows. Er war ein weltweit gefeierter Schriftsteller, als er 1994 die ursprüngliche Nationalbolschewistische Partei gründete – gemeinsam mit dem faschistischen Ideologen Aleksandr Dugin, der heutzutage manchen als Ideengeber Wladimir Putins gilt. Auch Limonow hatte von Anfang an russische Großmachtphantasien propagiert. Bereits in den Neunzigern kritisierte er, dass die Krim 1954 von Russland an die Ukraine übergegangen war, und seit 2014 forderte er eine Militärintervention in der Ukraine, wie seine Anhänger von »Anderes Russland« jüngst erneut betonten.

Limonows Bücher – vor allem autobiographische Romane über sein wildes Leben von Charkiw bis Manhattan – wurden ins Deutsche und in andere Sprachen übersetzt. 2011 veröffentlichte der französische Autor Emmanuel Carrère eine vielbeachtete Romanbiographie über Limonow, in der er ihn als schillernde Künstlerfigur darstellte. Seine Nationalbolschewisten erschienen in dem Buch mehr als Punks denn als Faschisten.

Dabei war schon das Parteiprogramm von 1994 sehr deutlich formuliert. Das Ziel des Nationalbolschewismus sei, so hieß es dort, ein »Imperium von Wladiwostok bis Gibraltar auf der Grundlage der russischen Zivilisation« zu schaffen. Das Wesen des Nationalbolschewismus liege in »dem vernichtenden Hass auf das antimenschliche System der Dreieinigkeit: Liberalismus/Demokratie/Kapitalismus«. Stattdessen wolle man auf der Basis »spiritueller Männlichkeit und sozialer und nationaler Gerechtigkeit« eine neue »tra­ditionalistische, hierarchische Gesellschaft« aufbauen.

Das kommt faschistischen Staatsvorstellungen ziemlich nahe – und der Parteimitbegründer Aleksandr Dugin war schon immer ein lupenreiner Neofaschist. Zentrale Elemente seines Denkens sind die sogenannte Konserva­tive Revolution und die Opposition gegen die vermeintliche Dekadenz der westlichen Welt. Die Partei hat er 1998 verlassen, um seine geopolitische Idee des Eurasismus zu verfolgen.

Eine weitere prominente Figur der Nationalbolschewisten war der »vielleicht wichtigste russische Schriftsteller seiner Generation« (so die Süddeutsche Zeitung im Jahr 2012), Sachar Prilepin, der 1996 Parteimitglied wurde. Das »Andere Russland« wirft ihm heutzutage vor, er habe sich immer weiter von der Bewegung entfernt und immer regierungsfreundlichere Positionen eingenommen, bis er nahezu Teil des Staatsapparats geworden sei. Die Nationalbolschewisten befanden sich bis zu ihrem Verbot 2005 in Opposition zur ­Regierung Putin. Limonow saß ab 2001 sogar jahrelang im Gefängnis. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, eine bewaffnete Invasion Kasachstans geplant zu haben. Ab 2006 war Limonow Teil des Oppositionsbündnisses »Anderes Russland«, an dem auch liberale Oppositionelle beteiligt waren.

Prilepin gründete 2007 mit dem bekannten Oppositionellen Aleksej Nawalnyj die Bewegung »Das Volk«. Nawalnyj suchte damals das Bündnis mit ­Nationalisten und nahm auch an rechtsextremen Demonstrationen teil. 2010 unterstützte Prilepin ebenso wie Limonow die oppositionelle Kampagne »­Putin muss gehen«. Acht Jahre später trat Prilepin dann jedoch der Gesamtrussischen Volksfront (ONF) bei, einem Zusammenschluss zahlreicher kremltreuer Parteien und Organisationen. Daraufhin schloss Limonow ihn aus der Partei »Anderes Russland« aus, die er 2010 gegründet hatte. Die Nationalbolschewisten seien eine patriotische und sozialistische Opposition, und ­Prilepin sei in den vergangenen Jahren schäbiger, verlogener und kommerzieller geworden, hieß es noch vor kurzem von der Partei.

Prilepin war in den neunziger Jahren mehrmals als Soldat im Kriegseinsatz in Tschetschenien. Ab 2017 kämpfte er als Kommandeur auf der Seite der Separatisten im Donbass. Im Radio Free ­Europe prahlte er noch 2019 damit, wie viele Menschen sein Bataillon dort getötet habe. 2018 war er noch als Autor bei der Frankfurter Buchmesse aufgetreten. Im Jahr darauf gründete Prilepin seine eigene Partei »Die Wahrheit«, zu deren Mitgliedern dessen Sprecherin zufolge der Schauspieler Steven Seagal gehörte.

Im Februar verhängte die Europäische Union wegen des russischen Kriegs persönliche Sanktionen gegen Prilepin. Er hat sich klar für Putin entschieden – die Nationalbolschewisten nicht ganz. Putin abzulehnen und dennoch dessen kriegerisches Großmachtstreben zu unterstützen, ist für sie aber kein Widerspruch. Wenn die Ukraine erst »befreit« sei, könne danach in Russland »aufgeräumt« werden, hieß es auf der Konferenz in Sankt Petersburg.