Der neue sächsische Innenminister Schuster gilt wie sein Vorgänger als rechter Hardliner

Autoritäre Tradition

Nach erneuten Skandalen bei der sächsischen Polizei und dem Vorwurf der Vetternwirtschaft wurde der CDU-Landesinnenminister Roland Wöller entlassen. Sein Nachfolger Armin Schuster gilt ebenfalls als rechter Hardliner.

Wenn in Leipzig Beamte des Landeskriminalamts (LKA) frühmorgens an Wohnungstüren klopfen, sind in aller Regel Linke davon betroffen. Nicht so vor ein paar Wochen: Mitte April durchsuchten Beamte des sächsischen LKA die Wohnungen und Arbeitsplätze ihrer Kolleginnen und Kollegen. Grund der Razzia sind Ermittlungen wegen illegaler Aufnahmerituale beim Mobilen Einsatzkommando (MEK) Leipzig, bei denen im Dezember 2020 zwei Neumitglieder der Eliteeinheit mit einer gestohlenen Übungswaffe beschossen und verletzt worden sein sollen. Insgesamt 25 Angehörigen des MEK wird vorsätz­liche gefährliche Körperverletzung im Amt sowie Diebstahl von Waffen vor­geworfen.

Das MEK ist in Sachsen nicht das erste Mal in den Schlagzeilen. Im März 2020 war bekannt geworden, dass beim MEK Dresden mindestens 7 000 Schuss Munition verschwunden sind. Es stellte sich heraus, dass 17 MEK-Angehörige mit der Munition ein nicht genehmigtes privates Schießtraining in Mecklenburg-Vorpommern bezahlt hatten. Das Training fand im November 2018 auf dem Gelände der Firma Baltic Shooters in Güstrow statt, Empfänger der Muni­tion war Firmenchef Frank T., dem enge Verbindungen zu dem extrem rechten Prepper-Netzwerk »Nordkreuz« nachgesagt werden. T. hatte auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) eine Pistole verkauft, weswegen dieser im November 2020 zurücktreten musste.

Der neue sächsische Innenminister Armin Schuster gehört zum rechten Flügel der CDU und hat sich bisher vor allem als sicherheitspolitischer Hardliner präsentiert.

Als Konsequenz aus der sogenannten Munitionsaffäre wurde das MEK Dresden aufgelöst und eine Untersuchungskommission eingesetzt, die bei ihrer Arbeit nun auf das bizarre Aufnahmeritual stieß. Zudem kam heraus, dass die Angehörigen des MEK Dresden illegalerweise auf Staatskosten Urlaub ­gemacht hatten, indem sie einen Skiurlaub in einem Vier-Sterne-Hotel als »Fortbildungsreise« deklariert hatten.

Die Vorfälle im Zusammenhang mit dem MEK reihen sich ein in eine lange Liste von Skandalen bei den sächsischen Ordnungsbehörden, die jedoch dem Innenminister Roland Wöller (CDU) bis vor kurzem nichts anhaben konnten. Zu nennen wären unter an­derem das vermeintliche Versagen oder absichtliche Wegschauen bei den tagelangen rassistischen Riots im Sommer 2018 in Chemnitz, der im Juni 2020 ­bekanntgewordene Skandal, bei dem mehr als 100 sächsische Polizistinnen und Polizisten in den illegalen Weiterverkauf von über 1 000 gestohlenen Fahrrädern verwickelt waren, oder die außer Kontrolle geratene »Quer­den­ken«-Demonstration in Leipzig im November 2020. Dort hatten Hunderte Neonazis und rechte Hooligans, unterstützt von Tausenden Coronaleugnerinnen und Verschwörungsgläubigen, Polizeisperren durchbrochen, Steine und Flaschen geworfen und Jagd auf Linke und Journalisten gemacht. Während die Bilder der enormen Ausschreitungen durch die Medien gingen, sprach Wöller von einer »friedlichen Versammlung« und wollte weder bei sich noch der Polizei irgendein Fehlverhalten erkennen. Eine Auflistung all der Skandale, die in Wöllers Amtszeit seit Dezember 2017 fielen, würde eine ganze Ausgabe dieser Zeitung füllen.

Die vielfachen Rücktrittsforderungen, auch aus den Reihen von Grünen und SPD, den Koalitionspartnern der CDU, wehrte er stets ab und genoss dabei den Schutz von Ministerpräsident ­Michael Kretschmer (CDU). In den vergangenen Monaten aber wurde der Rückhalt geringer und die Kritik an ihm lauter. Als sich Anfang des Jahres die sogenannten Corona-Spaziergänge im Freistaat radikalisierten und zu einer umfassenden rechtsextremen Mobilmachung entwickelten, während der Innenminister ebenso wie seine Polizei tatenlos zusahen, bezeichnete ihn die Sächsische Zeitung gar als ein »Sicherheitsrisiko«.

Außer den jüngsten Skandalen beim MEK kam im April dann auch noch der Vorwurf der Vetternwirtschaft hinzu. Eine ehemalige Kommilitonin und Freundin von Wöllers Ehefrau soll Kanzlerin der sächsischen Polizeihochschule in Rothenburg/Oberlausitz werden. Kurz zuvor waren die Anforderungen für Bewerberinnen gesenkt worden, wodurch Wöllers Bekannte erst für den Posten in Frage kam, den sie seit März kommissarisch innehat. Es war nicht das erste Mal, dass dem Innenminister vorgeworfen wurde, Führungsposten mit ihm Nahestehenden zu besetzen. Nun stellten sich sogar die beiden Polizeigewerkschaften gegen den Innenminister und forderten öffentlich seinen Rücktritt.

Der »Dauerstörenfried, der beharrlich, renitent, unnachgiebig so ungeschickt Aufmerksamkeit auf sich zieht, die er eigentlich gar nicht bekommen möchte«, wie ihn die Sächsische Zeitung jüngst beschrieb, blieb auch hier wieder stur. Jedoch war diesmal der öffentliche Druck zu groß geworden, und so blieb Ministerpräsident Kretschmer nichts anderes übrig, als Wöller Ende April zu entlassen. Ein Fehlverhalten seines Innenministers wollte Kretschmer aber nicht eingestehen, Fragen waren auf der Pressekonferenz nicht zugelassen. Und so hieß es von Kretschmer zur Begründung nur lapidar: »Zuletzt hatte ich das Gefühl, dass wir nur noch über vermeintliche oder tatsächliche Skandale reden. Jetzt brauchen wir einen Neuanfang. Gebraucht werden Kraft, Vertrauen und neue Ideen.«

Als Nachfolger ernannte Kretschmer den CDU-Innenexperten Armin Schuster, der seit Ende 2020 das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe leitete und ein ehemaliger Bundespolizist ist. Seine »neuen Ideen« dürften aber ganz die alten sein: Politisch gehört Schuster zum rechten Flügel der CDU und hat sich bisher vor ­allem als sicherheitspolitischer Hardliner präsentiert. So gehörte er zu den lautesten Kritikern der vermeintlichen »Willkommenspolitik« der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Sommer 2015. Schuster war zu ­dieser Zeit Bundestagsabgeordneter.

Als im April 2018 Proteste eine Abschiebung in Ellwangen verhinderten, schwadronierte er in der Welt von »­roten Linien, die mittlerweile beinahe täglich von Asylbewerbern vorsätzlich überschritten werden«. Wäre es nach dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gegangen, hätte Schuster im November 2018 die Nachfolge von Hans-Georg Maaßen als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz angetreten. Die damalige Bundeskanzlerin Merkel verhinderte das jedoch, wie damals der RBB berichtete.

Im Juli 2020 verteidigte Schuster in der »Tagesschau« die als racial profiling bekannte illegale Praxis der Polizei: Da Rauschgift für den Transport oft verschluckt werde, sagte er, und es »in aller Regel auf bestimmten Strecken Menschen aus Schwarzafrika sind, die dieses Risiko eingehen«, müsse man diese Menschen auch kontrollieren.

Mit der Ernennung Schusters bleibt die autoritäre Linie im sächsischen Innenministerium gewahrt. Die Leipziger SPD-Vorsitzende und Sprecherin des ­antifaschistischen Bündnisses »Leipzig nimmt Platz«, Irena Rudolph-Kokot, sagte, die Entscheidung sei »keine gute Nachricht« für die Zivilgesellschaft.

Nur vier Tage nach Schusters Amtsantritt wurde im erzgebirgischen Schwarzenberg, einem Zentrum der rechtsextremen Szene und dem Gründungsort der neonazistischen Kleinstpartei »Freie Sachsen«, ein linkes Wohnprojekt durchsucht. Der Vorwurf lau­tete Sachbeschädigung durch Plakate und Schriftzüge in der Stadt. Ob das ein Willkommensgruß des neuen Innenministers war oder bloß die gewöhnliche Arbeit der sächsischen Justiz- und Ordnungsbehörden, für die alles links von der CDU eine potentielle Bedrohung darzustellen scheint, bleibt offen. Zwar bekundete Schuster zu seinem Amtsantritt, er wolle »nicht der neue Sicherheitsminister«, sondern ein »Bürgerminister« sein, zugleich ließ er aber keinen Zweifel, was von ihm innenpolitisch zu erwarten ist: »Ich will eine starke Polizei, ich will einen starken Verfassungsschutz – so wie der Name Freistaat Sachsen stark ist.«

Sonja Penzel, die Präsidentin des LKA Sachsen, hatte aus Anlass der jüngsten Razzien in den eigenen Reihen erklärt: »Manchmal muss man beim notwendigen Aufräumen mit weiteren Problemen rechnen.« Das lässt sich gewiss auch in Hinblick auf den Wechsel an der Spitze des sächsischen Innenministe­riums sagen.