Small Talk mit Nicole Thies über Angriffe gegen das Frauenzentrum Weiberwirtschaft/Dornrosa e. V. in Halle (Saale)

»Der Vorwurf ist absurd«

Das Frauenzentrum Weiberwirtschaft/Dornrosa e. V. in Halle (Saale) gibt es seit 1990, ursprünglich hat es sich aus einem Frauenselbst­hilfezentrum entwickelt. In der Nacht auf den 11. Mai wurde es mit Farbbeuteln beworfen und mit dem Schriftzug »Terfs boxen« besprüht. Mit »Terfs« sind »transexkludierende radikale Feministinnen« gemeint. Nicole Thies von Dornrosa e. V. erklärt der »Jungle World« ihre Sicht auf den Angriff – und auf den Vorwurf der »Transfeindlichkeit«, der immer wieder gegen das Frauenzentrum erhoben wird.
Small Talk Von

In Halle gibt es verschiedene queerfeministische Kollektive. Hatten Sie in der Vergangenheit Auseinandersetzungen mit diesen Gruppen?

Wir wollten vergangenes Jahr im Rahmen der Frauenkulturtage das Buch »Generation beleidigt« von Caroline Fourest diskutieren. In dem Buch geht es darum, dass sich Diskurse in Bubbles oder selbstbestätigenden Gruppen dogmatisch und autoritär entwickeln. Im Vorfeld wurden wir damals zum ersten Mal als Gruppe mit dem expliziten Vorwurf der Transfeindlichkeit konfrontiert. Daraufhin haben wir in einem öffentlichen Aufruf erklärt, dass wir den Dialog über die Thematik mit anderen Gruppen suchen. Seitdem sind ­Vorwürfe dieser Art wiederholt aufgekommen, vor allem bezüglich Veranstaltungen von uns oder anderen Gruppen zu bestimmten Themen wie Sexarbeit oder der Kopftuchdebatte. Uns wurden anonymisierte E-Mails geschickt, die Vorwürfe wurden in sozialen Medien und über Dritte gestreut.

Queerfeministische Kollektive in Halle haben sich von der Tat distanziert. Kann man dennoch sagen, dass die zum Teil ­aggressive Kritik gegen Dornrosa e. V. indirekt zu dem Angriff beigetragen hat?

Ja, auch verbale Äußerungen können Gewalt schüren. Das Graffito fordert zur Gewalt auf – »boxen« hieß es –, und das an einem Frauenzentrum, welches Teil des Schutzsystems für Gewaltbetroffene in Sachsen-Anhalt ist. Der Angriff ist ignorant gegen die Betroffenen von Gewalt, die Hilfe bei uns suchen und mit denen wir direkt ­zusammenarbeiten. So etwas kann im schlimmsten Fall retraumatisierend wirken.

Es gibt auch die Vermutung, der Angriff sei von Rechten ausgegangen, die in Halle ebenfalls sehr aktiv sind. Für wie wahrscheinlich halten Sie das?

Ich halte das nicht für plausibel. Wir haben bei feministischen und queeren Veranstaltungen durchaus schon Gegenproteste von Rechten erlebt. Aus dieser Erfahrung kann ich sagen, dass bei denen die Wortwahl anders und deutlich platter ist. Ich denke nicht, dass der »Terf«-Begriff, vor allem in lila Schrift, zu den Rechten passt.

Was möchten Sie auf den Vorwurf der Transfeindlichkeit entgegnen?

Dass er absurd ist. Wir haben seit 1997 das ­Projekt »Liebenswerte ­Lebensweisen«, in dem wir immer wieder Bildungs- und Aufklärungsarbeit im Bereich sexueller und geschlechtlicher Vielfalt leisten. Im Zuge des Projekts kommen unter anderem Transfrauen zu uns und berichten von Übergriffen und Anfeindungen. Wir setzen uns mit der Thematik durchaus auseinander.

Den Vorwurf der Transfeindlichkeit gab es auch wegen Veranstaltungen anderer Gruppen, die sich Räume bei uns mieten können. Unser Konzept ist es, sich so wenig wie möglich in die inhaltliche Gestaltung dieser externen Gruppen einzumischen. Unseren Bildungsauftrag setzen wir durch eigene Formate um, denn wir werden durch die öffentliche Hand gefördert. Das bedeutet, dass wir versuchen, bei bestimmten Themen, wie etwa der Sexarbeit, möglichst alle Positionen widerzuspiegeln.