Endometriose ist eine wenig erforschte Krankheit

Verspannte Feminazis werden bestraft

Frauen, die an Endometriose erkranken, leiden unter enormen Schmerzen und Beeinträchtigungen im Alltag. Dass die Krankheit so schlecht erforscht ist und es kaum Therapien gibt, liegt am strukturellen Desinteresse der Medizin am weiblichen Körper.

Hitzewallungen oder Kältegefühle vor der Periode; Übelkeit, Durchfall und Krämpfe währenddessen – das sind einige der Begleitumstände, die während des monatlichen Zyklus der Frau auftreten können. Schätzungsweise fünf bis sechs Millionen Frauen in Deutschland leiden zusätzlich an Endometriose. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die ausschließlich Frauen betrifft, bei der Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, sich an anderen Organen ansiedelt und schwere, mitunter chronische Schmerzen verursachen kann.

Ob diese fehlangesiedelten Zellen aus der Gebärmutterschleimhaut stammen oder ob sie anderen Ursprungs sind, ist noch ungeklärt. Eine Theorie besagt, dass während der Menstruation Schleimhautzellen aus der Gebärmutterhöhle durch die Eileiter zurückfließen und so in die Bauchhöhle gelangen. Eine andere Erklärung lautet, dass die fraglichen Schleimhautzellen etwa durch eine Operation (vor allem Kaiserschnitt) oder über Blut- und Lymphgefäße versprengt werden. Bislang konnte keine der Theorien bestätigt werden. Möglicherweise spielen das Immunsystem oder auch genetische Faktoren bei der Entstehung eine Rolle. Fest steht, dass Endometriose eine chronische Entzündungskrankheit ist, die fast ausschließlich Frauen im gebärfähigen Alter betrifft und die sich unbehandelt verschlimmern kann.

Schätzungsweise fünf bis sechs Millionen Frauen in Deutschland leiden an Endometriose.

Betroffene Organe sind häufig die Eileiter und Eierstöcke, Blase und Darm. Prinzipiell können die Zellen jedoch überall im Körper sogenannte Endometrioseherde entstehen lassen, die sich während des weiblichen Zyklus parallel zur Gebärmutterschleimhaut auf- und mit der Periode wieder abbauen. Da das Blut nicht aus dem Körper abfließt, bilden sich mitunter blutgefüllte Zysten, vor allem an den Eierstöcken. Hinzu kommen chronische Entzündungen, Vernarbungen und Verwachsungen. Sie gehen oft mit extremen Schmerzen einher, die sich mit handelsüblichen Schmerzmitteln kaum behandeln lassen.

Im Schnitt vergehen ab dem Auftreten der Symptome zehn Jahre, bis ­Endometriose diagnostiziert wird. Das liegt zum einen am Unwissen über die Erkrankung, selbst unter Gynäkologinnen, zum anderen lässt sich eine Diagnose bislang nur mit einer Bauchspiegelung zweifelsfrei stellen.

Matthias Riedl, Internist und Diabetologe, bekannt aus der NDR-Gesundheitssendung »Die Ernährungs-Docs«, ist überzeugt, dass sich mit zyklusabhängiger Ernährung die schmerzhaften Symptome der Endometriose lindern ließen. Oft geht die Endometriose mit Lebensmittelunverträglichkeiten einher, ein ursächlicher Zusammenhang ist aber nicht eindeutig geklärt. Von Erfolgen nach einer Ernährungsumstellung berichten in Selbsthilfegruppen bei Facebook auch betroffene Frauen. Vielen hilft eine vegane oder pflanzenbasierte Ernährung mit einem besonders hohen Gemüseanteil. Reduziert man entzündungsverstärkende Stoffe wie Zucker und Histamin, tritt häufig eine Besserung ein. Das belegen einige der wenigen Studien, die es hierzu gibt.

Ärztinnen empfehlen jedoch in aller Regel zunächst eine Hormontherapie, die den Östrogenspiegel senken und somit das vorhandene Endometriosegewebe verringern und neues Wachstum verhindern soll. Vielen Patientinnen verhilft dies tatsächlich zu mehr Lebensqualität. Allerdings kann es trotz einer solchen Therapie zu weiteren Verwachsungen kommen, die gegebenenfalls operativ entfernt werden müssen. Damit können Frauen in einen Teufelskreis von Operationen geraten, denn jeder Eingriff birgt das Risiko, dass Zellen versprengt werden und so anderswo neue Endometrioseherde entstehen. Expertinnen wie Sylvia Mechsner, die Leiterin des Endometriosezentrums an der Berliner Charité, bemängeln, dass oft voreilig operiert werde, da es für Ärztinnen kaum finanzielle Anreize für konservative Therapien gebe und Gynäkologinnen zu wenig Zeit für eine umfassende Anamnese hätten.

Als letzte Behandlungsmöglichkeit kennt die Medizin die Entfernung der Gebärmutter (Hysterektomie), was diverse neue Probleme wie Inkontinenz oder verfrühte Wechseljahre mit sich bringen kann und für Frauen mit Kinderwunsch ohnehin nicht in Frage kommt. Zudem garantiert eine Hysterektomie nicht, dass die Symptome der Endometriose komplett verschwinden.

Für manche Frauen sind Selbsthilfegruppen in sozialen Medien der erste Ort, an dem ihnen überhaupt jemand zuhört. Ärztinnen und Ärzte gleichermaßen nähmen nach Aussagen verschiedener Betroffener ihre Patientinnen nicht ernst, spielten ihre Leiden herunter und behaupteten, sie seien lediglich verspannt. Es mangele ihnen oft an grundlegendem Wissen über die Krankheit.

»Werden Sie doch einfach schwanger, dann erledigt sich das von selbst«, wird Betroffenen von Gynäkologen oft geraten. Es stimmt zwar, dass bei manchen Frauen die Endometrioseprobleme nach einer Schwangerschaft verschwinden oder sich zumindest abschwächen. Bei anderen bleiben sie aber unverändert oder verstärken sich sogar. Die Endometriose sorgt außerdem bei etwa 20 bis 40 Prozent der Betroffenen dafür, dass diese gar nicht so einfach schwanger werden können, da die Eileiter häufig wegen der Erkrankung nicht durchlässig sind. Auch Fehlgeburten können direkt mit einer Endometriose zusammenhängen. Schwanger zu werden, kann freilich schon allein deshalb nicht als Allheilmittel gelten, da nicht jede Frau Mutter werden will.

Die Belastungen durch die Endometriose können enorm negative Auswirkungen auf die Psyche und das gesamte Leben der Patientinnen haben: als junge Frau nicht am Alltag teilnehmen zu können, weil man chronisch erschöpft ist oder unter starken Schmerzmitteln steht; Schmerzen beim Geschlechtsverkehr zu erleiden; keinen Urlaub planen zu können, weil er in die Zeit der Mens­truation fallen könnte; in der Probezeit entlassen zu werden, weil man jeden Monat mehrere Krankentage hat. In den sozialen Medien berichten Betroffene, wie sie sich, der Ohnmacht nah, durch Meetings gekämpft haben, um nicht vor der Chefin und den Kollegen zugeben zu müssen, an einer schweren chronischen Erkrankung zu leiden.

Wo es ausschließlich um den weiblichen Körper geht, wird nach wie vor zu wenig in Forschung investiert. Das ist ein wesentlicher Fehler im System. Wohltuend ist die Solidarität zwischen den Betroffenen, die sich über ihre Gefühle austauschen und Hinweise zu empathischen Gynäkologinnen sowie speziellen Endometriosekliniken und praktische Tipps zum Umgang mit der Erkrankung geben. Schon das Wissen darum, dass es anderen Frauen ähnlich geht, kann dem lähmenden Gefühl des Alleingelassenseins entgegenwirken.

Keine Hilfe bietet jedoch die pseudowissenschaftliche Alternativmedizin. Hier tummeln sich selbsternannte »Health Coaches«, die wirkungslose Zuckerkügelchen homöopathischer Herkunft empfehlen, »Selbstheilungskräfte aktivieren und an einem positiven Mindset arbeiten« wollen und »innere Konflikte« als Ursache von Krankheiten identifizieren.

Der erfolgreiche Buchautor Ruediger Dahlke doziert seit Jahren über »Krankheit als Chance« und unterstellt Frauen regelmäßig, sie hätten Probleme mit ihrer »Weiblichkeit«. Dahlke zufolge handele es sich, »symbolisch betrachtet«, bei Endometriose »um unbewusste Weiblichkeit am falschen und damit gefährlichen Platz«. Die Betroffenen würden »ihre Weiblichkeit gegen sich selbst richten«. Ohne jegliche Belege behauptet der Esoteriker, dass unter den Betroffenen »viele sogenannte emanzipierte Frauen und sogar Feministinnen« seien, was ihn zu dem »Verdacht« führt, dass besonders diese Frauen »ihrer eigenen Weiblichkeit nicht gerecht werden konnten, während sie auf männlichen Wegen versuchten, die sogenannte weibliche (politische) Sache voranzubringen«. Emanzipatorische Kämpfe als Ursache für Unterleibskrämpfe? Sexisten gefällt das.