Wie man sich in der Bank, beim Konzert und auf der Party gegen blöde Trends behauptet

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Kulis und Gitarren.

»Wollen Sie an die Kasse oder an den Schalter?« Der Wachmann teilt die rund 20 Wartenden am Eingang der Commerzbank in der Friedrichstraße in zwei Gruppen. »Ich muss nur eine Überweisung ausfüllen«, sage ich. »Okay, dann können Sie durchgehen.« Als einziger analoger Mensch, der noch mit Kuli ein Überweisungsformular ausfüllt, darf ich an den Schlangen vorbei. Während ich schreibe, höre ich den Gesprächen der Leute zu.

Ein sportlicher junger Mann sagt freundlich: »Guten Tag, ich möchte ein Geschäftskonto eröffnen.«
»Das können Sie online machen.«, antwortet die Frau am Schalter barsch.
»Könnte ich dann vielleicht einen Termin vereinbaren?«
»Wir vergeben dafür keine Termine mehr. Bitte machen sie das online!«

Das Gespräch ist beendet. Es folgen weitere Gespräche, die ähnlich verlaufen. Es gibt viele Leute, die nicht klarkommen, die nur gebrochen Deutsch sprechen und nicht verstehen, was ein TAN-Verfahren ist. Die Commerzbank hat in der Pandemie gleich zwei Filialen in Kreuzberg geschlossen, jetzt fließt der Strom der Kunden in die schicke Friedrichstraße. Es ist spürbar, dass man uns einfache Leute loswerden will. Im Moment muss die Bank noch irgendwie ihr schäbiges Klientel verwalten, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die letzten Filialen schließen. Im vergangenen Monat hat dann sogar die Post ihre Filiale in der Bergmannstraße mitsamt den Geldautomaten geschlossen. Als Kunde ohne Handy komme ich bald an meine Grenze. Es wird eng für den analogen Mann.

Der analoge Mann auf der Bank

Und dann spielt am Wochenende Patti Smith und versammelt all die alten Menschen zur Andacht. Meine Freundin schleppt mich mit. Eigentlich war ich nie ein Fan, aber es gefällt mir dennoch gut, wie Patti predigt. Vor allem aber gefällt mir, wie meine Freundin mit ihren Freundinnen feiert und alle Songs mitsingt. Als Patti »People Have the Power« singt, stimmen sie zum Spaß »People Are People« von Depeche Mode an. Eine Frau neben uns findet das gar nicht lustig und versucht ein Gespräch anzufangen, aber wir ziehen einfach weiter und schlängeln uns nach vorn. Dort findet man unsere Truppe besser. Am Schluss hält Patti ihre Gitarre in die Luft: »This is our weapon! The weapon of the twentieth century!« Sie fabrizierte dann genau den Gitarrenkrach, der im Gesamtsound noch fehlte. Rebecca meint zwar noch: »Ich gehe nicht, bevor sie nicht ›Flesh for Fantasy‹ gespielt hat!«, aber dann klingt doch das letzte Stück aus. Es ist immer noch hell draußen.

Patti Smith Konzert

Am nächsten Tag gehen wir zu Freunden, die eine Siebziger-Jahre-Party feiern. Unser persönliches Thema ist »Los Angeles 1978«. Meine Freundin mit locker übergeworfenem Kopftuch, Sonnenbrille, Schlaghose und rückenfreiem Glitzer-Top. Frisch angekommen aus Teheran. Ich gehe als Jeanstyp mit verspiegelter Fliegerbrille und Ramones-Perücke. Bauchfrei mit Bauch. Als wir ankommen, ist die Hälfte der Gäste nicht verkleidet. Bummer. Jetzt setze ich die Sonnenbrille und die Perücke erst recht nicht ab! Wir tanzen stundenlang. Um halb drei nehmen wir den Nachtbus nach Hause, in dem ich erschöpft einschlafe.