Beim Brettspiel »Altiplano« lernt man, wie ein Tauschring funktioniert

Geld wird überschätzt

Perfekten Genuss erleben Von

Jüngst testete ich an dieser Stelle das deutsche Brettspiel »Robin Hood«, das das Leben der »Merry Men« als Zeitmanagement-Problem chronisch erschöpfter Logistiker erzählt. Der soziale Druck, an Brettspielabenden teilzunehmen, hat sich damit leider noch verschärft – so sah ich mich gezwungen, mich gleich noch in das Wirtschaftsspiel »Altiplano« (dlp games) einzuarbeiten.

Das Spiel simuliert die Warenzirkulation in einem Verbund von Anden-Dörfern. Dazu muss man die Identität eines schwer schuftenden Bewohners des chilenischen Hochlands annehmen. Verschiedene Gruppen von Hochlandbewohnern produzieren Waren und tauschen sie. In einem Bergwerk werden Steine gegen Nahrung eingetauscht. Die Rohstoffe lassen sich veredeln: Auf den Feldern kriegt man gegen Nahrung Alpakas, für die lustigen Kamele wiederum Stoff und für Stoff Tuch: Marx würde sich freuen über so viel gelebten Tauschwert! Andernorts sind die Tauschregeln recht seltsam: Im Fischereidorf erhält man zum Beispiel für zwei Fische einen Stein, auf der »Straße« hingegen für Holz und Stein ein Stück Mais. Nun ja, Wirtschaft ist ja oft Glückssache.

Wie von einem deutschen Spiel nicht anders zu erwarten, wird die Sphäre des Geldes äußerst kritisch behandelt: Münzen sind am Spielende nichts wert und können lediglich dazu genutzt werden, neue Technologien einzukaufen; wer sich zu sehr darauf verlässt, steht zuletzt mit leeren Händen da, es triumphiert der ehrlich schaffende Produzent wahrer Werte wie Fisch, Alpakas und Steine.

Apropos Tausch: Alle Spielenden basteln privat am eigenen kleinen Wirtschaftszyklus und kommen den anderen nur ins Gehege, wenn einem wer die Technologien wegschnappt – hier ist die deutsche Wirtschaftsaußenpolitik idealtypisch nachgebildet. Es wird nicht gekämpft, gestritten oder gewürfelt, das Soziale ist komplett aus der Wirtschaft und aus der Spielmechanik verbannt: Eine ganze Partie lässt sich absolvieren, ohne ein Wort mit anderen wechseln zu müssen. Ressourcen verschwinden auch nicht, werden nicht verbraucht, sondern kommen über ein System kleiner Kisten und Stoffsäckchen endlos wieder zu uns zurück – in den Anden ist noch unbegrenztes Wachstum möglich.

Kenner rümpfen über sogenannte »Eurogames« dieser Art angeblich die Nase – ich hingegen finde mich in dieser Art unsozialem Antispiel in meinen Persönlichkeitsdeformationen komplett wiedererkannt. Ich bewerte das Spiel mit 5 von 5 Steinen!


An dieser Stelle schreibt Leo ­Fischer über seine persönlichen Erfahrungen in der Welt des ­Konsums. Seine Erlebnisse und Meinungsäußerungen erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.