Der Frankfurter Profikicker Martin Hinteregger wollte mit österreichischen ­Rechten feiern

Rechtsfuß in Verteidigungsstellung

Der Fußballprofi Martin Hinteregger von Eintracht Frankfurt wollte mit einem österreichischen Rechten ein Fußballfest veranstalten.

Als der antifaschistische Journalist Michael Bonvalot vergangene Woche öffentlich machte, dass der Fußballprofi Martin Hinteregger von Eintracht Frankfurt gemeinsam mit dem FPÖ-Rechtsaußen Heinrich Sickl ein Fußballfest namens »Hinti-Cup« organisieren wollte, war die erste Reaktion des Kickers, sich trotzig dummzustellen: »Es ist unglaublich, dass ein Unbekannter solche Dinge über mich behaupten kann«, schrieb Hinteregger auf Instagram. Er sei »ebenso wie die Familie Sickl in Sirnitz verwurzelt« und wolle seinen Fans, Gönnern und Unterstützern mit dem »Hinti-Cup« lediglich seine »Wertschätzung zeigen und mich bedanken«. Er habe »keine Kenntnisse über vergangene oder zukünftige Aktivitäten seitens der Familie Sickl«, so Hinteregger, er wolle doch nur ein Fußballturnier veranstalten.

Es ist wenig glaubwürdig, wenn Hinteregger behauptet, von den »Aktivitäten« der Familie Sickl nichts mitbekommen zu haben. Sirnitz in der Gemeinde Albeck hat 277 Einwohnerinnen und Einwohner und ist ein typisches Örtchen, in dem jeder jeden kennt. Heinrich Sickl, Jahrgang 1973, und der 1992 geborene Hinteregger sind allerdings mutmaßlich keine Kindheitsfreunde. Dass die heute 82 Jahre alte Elisabeth Sickl, Heinrichs Mutter, zum völkischen Flügel der FPÖ gehört, ist kein Geheimnis. Im Jahr 2000 war die Juristin und Lehrerin Bundessozialministerin in der damaligen Koalition von ÖVP und FPÖ, wurde aber nach nur acht Monaten und diversem Ärger auf Betreiben von Jörg Haider, des damals prominentesten FPÖ-Politikers, wieder entlassen. Fortan widmete sie sich ihrem Schloss Albeck bei Sirnitz, das sie zu einem »Kulturzentrum« ausgebaut hatte. Dort hielt seit Mitte der neunziger Jahre der Altnazi Otto Scrinzi (»Ich galt schon innerhalb der NSDAP als rechts«) Veranstaltungen des »Deutschen Kulturwerks Österreich« mit Gastvorträgen berüchtigter Rechtsextremisten aus ganz Europa ab.

Die Causa Hinteregger zeigt erneut das Rechts­extremismusproblem in Kärnten. Das österreichische Bundesland galt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs jahrzehntelang als eine Art inner­euro­päisches Argentinien, ein Paradies für Alt- und Neonazis.

Heinrich Sickl, Hintereggers Geschäftspartner, fiel schon als 17jähriger mit Kontakten zur deutschen Neonazi-Bande »Nationalistische Front« auf. Diese wurde 1992 verboten, nachdem sie begonnen hatte, sich zu bewaffnen und Anschläge auf »Ausländer« und »Linke« zu planen. In Österreich wurde gegen Sickl unter anderem wegen Holocaust-Leugnung und nationalsozialistischer Wiederbetätigung ermittelt, doch kam es nicht zu einer Anklage. Als Obmann des »Freiheitlichen Akademikerverbands« war Sickl Mitherausgeber der berüchtigten Zeitschrift Aula, in der regelmäßig der Holocaust relativiert wurde und KZ-Überlebende als »Landplage« beleidigt wurden.

Später machte Sickl in der FPÖ Karriere und brachte es bis zum Gemeinderat in Graz. Dort vermietete er eine Wohnung an rechtsextreme Identitäre, mit denen er auch demon­strieren ging. Das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bezeichnete Sickl sogar als Mitglied der Identitären, was dieser jedoch bestreitet.

Das also ist der Geschäftspartner von Martin Hinteregger, der gemeinsam mit ihm die Hinti Event GmbH betrieb. Nachdem dies bekannt geworden war, gab Hinteregger nach anfänglichem Trotzen und Zögern bekannt, seine Geschäftsverbindungen zur Familie Sickl sofort abzubrechen. Auf ­Instagram schrieb der 29jährige Kicker: »Ich habe durch meine Zeit im Profifußball und auch privat Freunde auf der ganzen Welt, und weise Anschuldigungen, dass ich rechts orientiert bin, klar ab, und setze mich ­weiter gegen jegliche Art der Diskriminierung ein!« Zu diesem Zeitpunkt tobte ein Shitstorm in den sozialen Medien und sowohl Eintracht Frankfurt als auch der Österreichische Fußball-Bund hatten Hinteregger, der auch der österreichischen Nationalmannschaft angehört, um Erklärung gebeten.

Wie die Organisatoren des »Hinti-Cup« am Freitag vergangener Woche bekannt gaben, wird das Fußballturnier wie geplant stattfinden. Die lokale Bevölkerung sowie die angereisten Hinteregger-Fans dürfen sich also auch auf das Rahmenprogramm mit kulturellen Highlights wie DJ Ötzi und der Schlagersängerin Melissa Naschenweng (»I steh auf Bergbauernbuam«) freuen. Heinrich Sickl sagte zwar der Bild-Zeitung, er sei »nicht mehr politisch aktiv«, doch noch 2021 trat er, was fotografisch dokumentiert ist, bei rechtsextremen Veranstaltungen auf. Seine Weltanschauung gilt in seinem Heimatdorf keineswegs als falsch oder abson­derlich, was eventuell erklären könnte, warum auch Hinteregger nichts dabei fand, mit solchen Leuten Geschäfte zu machen.

Ein Publicity-Problem sind die Geschäfte Hintereggers mit Rechtsex­tremen auch für Eintracht Frankfurt und dessen Präsidenten Peter Fischer. Dieser hat seine Ablehnung von Rassismus und rechtem Ge­dankengut immer offen geäußert und sich den Hass der völkischen Szene unter anderem mit der Aussage zugezogen: »Wer AfD wählt, kann kein Mitglied der Eintracht sein.« Auch die Fankultur bei Eintracht gilt, wenigstens im Vergleich, als politisch eher gemäßigt bis links. Freilich gibt es trotzdem allzu viele Fans, die »ihrem« Spieler gleich die Mauer machten und von »Unschuldsvermutung«, »linker Verschwörung« und anderem Unsinn faselten.

Die Causa Hinteregger wirft wieder einmal ein Flutlicht auf das Rechtsextremismusproblem in Kärnten. Das österreichische Bundesland galt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs jahrzehntelang als eine Art innereuropäisches Argentinien, ein Paradies für Alt- und Neonazis, wo viele »Ehemalige« glänzende neue Karrieren machten. Vor allem der Landesteil rund um die Gurktaler Alpen, wo auch Sirnitz liegt, ist eine Art brauner Hotspot. So wollte es die Politik zum Beispiel jahrzehntelang nicht schaffen, ein riesiges Hakenkreuz, das auf dem Turm der Burg­ruine Hochkraig prangte und Dutzende Kilometer weit sichtbar war, ­entfernen zu lassen.

Ein anderes Beispiel war der 2008 verstorbene Kinderpsychiater Franz Wurst, der sich, von einer Seilschaft aus Alt- und Neonazis gedeckt, jahrzehntelang an Hunderten Kindern sexuell vergehen konnte. Während Wurst, der sich damit brüstete, der »jüngste Arzt im Dritten Reich« gewesen zu sein, die Kinderpsychiatrie des Landeskrankenhauses Klagenfurt leitete und dort seine schutzlosen Opfer vergewaltigte, war der oben erwähnte Otto Scrinzi Chef der dortigen psychiatrischen Männer­abteilung und erstellte bis kurz vor seinem Tod Gutachten für die Kärntner Justiz. Auf dem Gipfel des Kärntner Ulrichsbergs trafen sich bis vor kurzem jedes Jahr SS-Veteranen und Neonazis unter dem wohlmeinenden Auge ­lokaler Politiker nicht allein der FPÖ, sondern auch der ÖVP und SPÖ, die vor den alten »Kameraden« Reden hielten.