Homophobe Angriffe Rechtsextremer während des Pride-Monats

Angriff auf die Pride

Im Pride-Monat häufen sich rechte Angriffe. Hass auf Homosexualität ist in der rechtsextremen Ideologie verwurzelt.

In den vergangenen 20 Jahren gab es bei der gesellschaftlichen Emanzipation Homosexueller viele Erfolge, um die zuvor jahrzehntelang gerungen worden war. Die Akzeptanz von homosexuellen Lebensweisen nahm zu, viele Stigmatisierungen und rechtliche Diskriminierungen fielen weg. Die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe, die in den nuller Jahren in den meisten Ländern Westeuropas, Nord- und Südamerikas erfolgte, kann als Gradmesser dieses Fortschritts gelten.

Vor diesem Hintergrund wurden militante Angriffe religiös-nationalistischer Mobs auf die seit den frühen nuller Jahren auch in Osteuropa stattfindenden Pride-Paraden weithin als Ausdruck kulturell tradierter Homophobie wahrgenommen, als Ausdruck eines Entwicklungsrückstands. Ähnlich werden häufig islamistisch motivierte Morde an Homosexuellen angesehen, wie sie nicht nur gerade in Oslo mutmaßlich geschahen, sondern zum Beispiel auch am 4. Oktober 2020 in Dresden, als ein aus Syrien stammender Islamist ein schwules Paar angriff und einen der beiden Männer tödlich verletzte.

In Österreich versuchte sich die neurechte Identitäre Bewegung (IB) unter dem Hashtag #NoPrideMonth und dem Slogan »Patriot Month statt Pride Month« sogar an einer Kampagne.

Doch häufig wird Gewalt gegen Homo- und Transsexuelle im deutschsprachigen Raum von hier lebenden Täterinnen und Tätern ohne Migrationsgeschichte ausgeübt. Ob und in welchem Ausmaß das Ausmaß dieser Gewalttaten zunimmt, ist schwer einzuschätzen. Zwar steigt in der Bundesrepublik die Zahl der von der Polizei ­erfassten Straftaten – Beleidigungen, Bedrohungen, Gewalttaten –, die sich gegen die sexuelle Orientierung der Angegriffenen richten, seit 2001 kontinuierlich an. Doch kann sich darin auch ein gestiegenes Anzeigenaufkommen widerspiegeln, denn die Zahl der Menschen, die nicht mehr bereit sind, derartige Angriffe hinzunehmen, dürfte in den vergangenen 20 Jahren größer geworden sein; auch reagiert zumindest die Polizei teilweise sensibler auf derartige Taten, oft wurden sogar Strukturen geschaffen, um diese besser verfolgen zu können.

Aus diesem Grund ist es für eine politische Bewertung sinnvoll, sich Taten und Tatkontexte genauer anzuschauen. Dabei fällt auf, dass es auch im deutschsprachigen Raum immer wieder Angriffe auf Veranstaltungen zum Christopher Street Day beziehungsweise im Pride-Monat gibt. So kam es im vergangenen Jahr zu mehreren Angriffen auf Teilnehmer des Berliner CSD, bei denen unter anderem ein hessischer Juso schwer verletzt wurde. Auch dieses Jahr wurden in ähnlicher Art und Weise in Karlsruhe und Augsburg Teilnehmer der dortigen Demonstrationen zum Christopher Street Day angegriffen. Sie wurden geschlagen, ihnen wurden ­Regenbogenfahnen entrissen und zerstört. In Karlsruhe wurden Vorwürfe ­gegen die Polizei erhoben, diese sei nur zögerlich eingeschritten. Die Täter, nach Angaben der Angegriffenen hauptsächlich junge Männer, scheinen den CSD als Gelegenheit wahrzunehmen, ihren Hass auf Homosexuelle gewaltsam auszuagieren. Die Entscheidung, bestimmte Personen anzugreifen, fällt offenbar zumeist spontan.

Über die ideologischen Hintergründe dieser Täter ist wenig bekannt. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass es sich zum Teil um hier geborene und aufgewachsene Nachfahren von Migrantinnen und Migranten aus der Türkei und dem Nahen Osten handelt, die in den vergangenen Jahren eine identitäre Islamisierung durchlaufen haben. Doch es gibt auch geplante und dadurch ideologisch klarer zuzuordnende Aktionen gegen den Pride-Monat.

In Österreich versuchte sich die neurechte Identitäre Bewegung (IB) unter dem Hashtag #NoPrideMonth und dem Slogan »Patriot Month statt Pride Month« sogar an einer Kampagne. Am 3. Juni mauerten Aktivisten der IB die Tür einer Wiener Bibliothek zu, in der im Rahmen der »Drag Queen Story Hour« eine Lesung mit der Drag Queen Candy Licious stattfinden sollte. Die Mauer strichen sie in den österreichischen ­Nationalfarben rot und weiß und versahen sie mit der Aufschrift »#No­PrideMonth«. Auf Flugblättern wurde gegen die »staatsfinanzierte Globohomo-Ideologie« gehetzt.

Wenige Tage später veranstalte die Freiheitliche Jugend, die Jugendorganisation der FPÖ, eine Gegenkundgebung zur Wiener Pride Parade. Wie der Presseservice Wien berichtete, nahmen an der Kundgebung Aktivisten der IB, FPÖ-Mitglieder und Vertreter von »Studenten stehen auf« teil, einer Gruppe, die aus der österreichischen Be­wegung gegen die Coronaschutzmaßnahmen entstanden ist.

Auch in Zürich versuchten junge Rechtsextreme, mutmaßlich Mitglieder der sich an der IB orientierenden Gruppe Junge Tat, eine Veranstaltung zum Pride Month zu stören. Am 19. Juni drangen sie in eine Kirche ein, in der ein queerer Gottesdienst stattfand, und versuchten, dort ein Holzkreuz zu errichten. Allerdings gelang es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Gottesdienstes, sie daran zu hindern und zu verjagen.

Auch in den USA gab es Angriffe. In der Kleinstadt Coeur d’Alene in Idaho nahm die Polizei 31 Mitglieder der rechtsextremen Patriot Front fest, die offenbar eine Veranstaltung zum Pride Month angreifen wollten. Und in San Francisco stürmten Mitglieder der Proud Boys eine »Drag Queen Story Hour«, bei der eine Drag Queen Kindern vorlesen sollte.

Bei rechten Republikanern dominiert insgesamt die Vorstellung, Homosexuelle und transsexuelle Personen würden sich an Kinder heranmachen. Das immer wieder verwendete Schlagwort, das auch gern allgemein für progressive Demokraten verwendet wird, lautet »groomer«. Der Begriff bezeichnet Personen, die jüngere Menschen manipulieren, um sie sexuell zu missbrauchen. Daraus wird gefolgert, dass jeder offene Umgang mit Homosexualität Kinder gefährde. Die »Fox-News-Moderatorin Laura Ingraham teilte schon im März ihrem Millionenpublikum mit, dass Grundschulen »Zentralen des Groomings« geworden seien, in denen »sexuelle Gehirnwäsche stattfinde«.

Angriffe wie etwa durch die IB in Wien passen also in eine internationale Entwicklung. Pride Parades in westlichen Ländern sind heute die Erfolgsfeiern einer liberalen Emanzipationsbewegung, die auch dazu beitrug, dass die Institution der Ehe endgültig von der Idee der biologisch determinierten Abstammungs- und Fortpflanzungsgemeinschaft getrennt wurde. Dadurch wird offensichtlich, dass die heterosexuelle Kleinfamilie eben nicht etwas Natürliches und Überzeitliches ist, sondern Familienverbände veränderbar sind und sich immer schon verändert haben.

Für alle, die ihre gesellschaftlichen Vorstellungen auf überhistorische Prinzipien zurückführen, ist das der pure Horror, ob es sich um Rechtsex­­treme, christliche Fundamentalisten oder Islamisten handelt. Mit Angriffen auf die Pride Parades versuchen sie, die hergebrachte Ordnung wiederherzustellen. Diese Versuche stehen in einer Linie mit den Bestrebungen, Abtreibung zu illegalisieren und von Frauen erkämpfte reproduktive Rechte ­abzuschaffen. Dass diese Unterfangen derzeit in den USA so erfolgreich verlaufen, zeigt, dass einmal erkämpfter gesellschaftlicher Fortschritt stets gefährdet bleibt.