Auf die Osloer Bar »London Pub« wurde ein islamistischer Anschlag verübt

Anschlag auf die Schwulenbar

In Oslo tötete mutmaßlich Zaniar Matapour zwei Männer. Norwegischen Medienberichten zufolge hat er seit mindestens 2015 Kontakt zu Arfan Bhatti, einer islamistischen Schlüsselfigur in Norwegen.

Zwei Tage war der Anschlag auf Besucher der Osloer Schwulenbar »London Pub« her, bei dem zwei Männer im Alter von 54 und 60 Jahren erschossen und mindestens 21 weitere verletzt wurden. Am Montag ließ der mutmaßliche ­Attentäter Zaniar Matapour wissen, er werde nur über seine Motive reden, wenn die Polizei garantiere, dass seine Einlassungen gefilmt und unzensiert veröffentlicht würden.

Wirklich rätselhaft sind Matapours Beweggründe allerdings nicht. Bereits jetzt ist erwiesen, dass er enge Verbindungen zu bekannten norwegischen Islamisten unterhält. Dem Inlandsgeheimdienst PST ist der 42jährige bereits seit 2015 bekannt, seither hat er Kontakt zu Arfan Bhatti, einer norwegischen Medien zufolge zentralen Figur der ­islamistischen Szene des Landes. Unter anderem war Bhatti einer der Anführer der 2011 in Oslo gegründeten radikalislamistischen Gruppe Profetens Ummah, die sich öffentlich zum »Islamischen Staat« (IS) bekannt hat.

Arfan Bhatti war einer der Anführer der 2011 in Oslo gegrün­deten radikalislamistischen Gruppe Profetens Ummah, die sich öffentlich zum »Islamischen Staat« (IS) bekannt hat.

Im April 2022 war Zaniar Matapour auf dem Weg zur Demonstration gegen eine angekündigte Koranverbrennung durch die antimuslimische Gruppe Sian (Stopp Islamiseringen av Norge) in Sandefjord angehalten und wegen des Mitführens eines Messers angezeigt worden. Mit ihm im Auto saß Bhatti, der mittlerweile sein Nachbar in Oslo geworden war – und Schwule hasst: Am 14. Juni postete Bhatti auf Facebook eine Aufforderung zum Mord an Homosexuellen. Sein Profilbild bestand nun aus einer durchgestrichenen Regenbogenflagge und der Aufforderung »Be natural«. In arabischer Schrift war dort außerdem ein Hadith zu sehen, ein angeblich vom Propheten Mohammed stammender Ausspruch, dass verflucht sein möge, wer handle wie das »Volk von Lot« (im Koran die übliche Bezeichnung für die Bewohner des biblischen Sodom). Der Terrorismusforscher Thomas Hegghammer vom Militärforschungsinstitut FFI sieht darin eine Anweisung, Schwule umzubringen. Ein weiteres von Bhattis Account gepostetes Bild zeigt eine brennende Regenbogenfahne.

Bhatti war 1990, im Alter von 13 Jahren, Mitglied der unter anderem für mehrere Morde verantwortlichen pakistanisch-norwegischen Straßengang Young Guns geworden, die der Osloer Polizei zufolge über gute Kontakte zu religiösen und politischen Kreisen in Pakistan verfügt; Mitglieder der Gang standen der Zeitung Aftenposten zufolge 2006 auf der Gästeliste eines Festabends in der pakistanischen Botschaft.

Bhatti war nach mehreren Freiheitsstrafen, unter anderem wegen eines versuchten Auftragsmords, im Gefängnis zunächst zum Anhänger von Osama bin Laden geworden. Im Juli 2006 wurde der PST auf ihn aufmerksam, nachdem in Deutschland bei einer Polizeikontrolle im Handschuhfach seines Wagens eine Gebrauchsanleitung für eine Panzerabwehrwaffe gefunden worden war. Bhatti durfte seine Reise fortsetzen, die ihn zu einem engen Freund, dem albanisch-kosovarischen Drogenbaron und Waffenschmuggler Princ Dobroshi, führte, der 1994 wegen Heroinhandels in Norwegen zu einer 14jährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war und nun im kosovarischen Peja (serbisch Peć) lebte.

Nachdem Bhatti nach Oslo zurückgekehrt war, begann der PST, ihn abzuhören. Im September 2006 wurde er wegen Schüssen auf die Osloer Synagoge und der Planung terroristischer Bombenattacken auf die US-amerikanische und die israelische Botschaft erneut verhaftet. Nach rund drei Jahren in Untersuchungshaft, davon 14 Monate isoliert, wurde er zwar hinsichtlich der Anschlagspläne auf die Botschaften freigesprochen, wegen der Schüsse auf die Synagoge jedoch verurteilt.

Bhatti konnte aufgrund seiner Inhaftierung nicht an den Protesten teilnehmen, die Eirik Eiglad in seinem Buch »The Anti-Jewish Riots in Oslo« als »die größten antijüdischen Ausschreitungen in der Geschichte Norwegens« bezeichnet hat. Zwischen Ende Dezember 2008 und dem 4. Januar 2009 hatten Mitglieder und Politiker praktisch aller linken Parteien, Aktivisten des autonomen Zentrums »Blitz« und Muslime unter anderem vor der israelischen Botschaft in Oslo gemeinsam gegen den damaligen Gaza-Krieg protestiert. Dabei wurden Autos angezündet, antisemitische Slogans gerufen und Passanten ­sowie Gegendemonstranten, die der Mob für Juden hielt, gejagt und verprügelt. Die Ausschreitungen in Oslo seien für viele muslimische Jugendliche eine Art Erweckungserlebnis gewesen, schrieb die norwegische Soziologin Mette Andersson später, allerdings habe Syrien dann Gaza als Bezugspunkt abgelöst.

Weitere Fälle islamistischer Radikalisierung blieben nicht aus, und immer wieder führen Spuren zu Profetens Ummah. Einer der zur islamistischen Gruppe al-Shabaab gehörenden Terroristen, die im September 2013 eine Shopping Mall in der kenianischen Hauptstadt Nairobi überfielen und mindestens 67 Menschen töteten, war Hassan Abdi Dhuhulow, ein in Somalia geborener Norweger. Er war bereits als Jugendlicher durch radikale Postings in islamistischen Foren aufgefallen und wurde vom PST beobachtet. Zu späteren Mitgliedern von Profetens Ummah unterhielt er dem Inlandsgeheimdienst zufolge gute Kontakte.

Die Gruppe rekrutierte auch Kämpfer. Ihr Sprecher Ubaydullah Hussain sagte im Oktober 2012 der Tageszeitung VG, die Mehrzahl der zu diesem Zeitpunkt rund 60 in Syrien kämpfenden norwegischen Jihadisten habe Profetens Ummah angeworben. In Norwegen fielen Rekrutierung, Finanzierung und Werben zu diesem Zeitpunkt bereits unter Antiterrorgesetze, Hussain schien sich jedoch sicher zu fühlen. Die Loyalität der Gruppe gelte allein Allah und nicht Landesgesetzen, betonte er, daher seien auch muslimische Jungen ab einem Alter von 14, 15 Jahren als Kämpfer willkommen.

Kurz darauf enthüllte eine Journalistin, dass mehrere Islamisten erfolgreich die norwegische Jägerprüfung absolviert hatten, die zum Besitz von bis zu sechs Schusswaffen berechtigt. Daraufhin bedrohte Ubaydullah Hussain sie heftig. Nachdem er dann auch noch per Facebook Drohungen gegen Juden veröffentlicht hatte, wurde er am 25. Oktober 2012 verhaftet und später wegen anderer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von 120 Tagen verurteilt. Ein Osloer Gericht verurteilte ihn schließlich 2017 wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation IS sowie Anwerbung von Kämpfern zu insgesamt neun Jahren Haft, im Februar 2022 wurde er trotz Bedenken des PST vorzeitig entlassen.

Zaniar Matapour war als Kind mit seinen Eltern aus einem Kurdengebiet im Iran nach Norwegen gekommen. Er besuchte eine weiterführende Schule, 1999 wurde er jedoch wegen einer Messerstecherei während eines Schulballs zunächst zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt; die Strafe wurde später wegen seiner dem Gericht zufolge »offenbaren psychischen Probleme« auf 30 Tage reduziert. Es folgten Aftenposten zufolge weitere Anklagen, unter anderem wegen Gewalttaten, Mordversuchs und Drogenbesitzes, die meisten Fälle endeten demnach mit milden Strafen, wie sie in norwegischen Gerichtsverfahren nicht unüblich sind. Ob seine immer wieder erwähnten psychischen Probleme ein weiterer Grund dafür waren, ist derzeit nicht bekannt – und auch nicht, ob er Zugang zu einer Therapie oder anderen Hilfsangeboten hatte.

Die jüngste Gefährderansprache durch den PST liegt rund einen Monat zurück. Der Direktor des PST, Roger Berg, sagte, Matapour sei nicht als jemand eingeschätzt worden, der Gewalttaten planen könnte. »Wir haben ihn nicht als einen der Leute gesehen, die uns am meisten Sorgen machen«, gab er zu. »Das war wohl eine Fehleinschätzung.«