Homestory

Homestory #27

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Immer wieder kommt es vor, dass eine Leserin einen Artikel Ihrer Lieblingszeitung derart schlimm findet, dass sie ihr Abo kündigt, und das sogar in einer E-Mail an die Redaktion begründet. Allzu häufig passiert das nicht, aber doch ab und zu. Manchmal ärgern wir uns deswegen – doch wenn es nie passieren würde, wäre das vielleicht auch kein gutes Zeichen. Zudem ist die Begründung manchmal so abwegig, dass man nur mit den Schultern zucken kann. In Erinnerung geblieben sind linke Kleingruppen, die sehr wortreich ihr Abo kündigten, weil die Jungle Word sich bei ihrer ersten Israel-Reise auch den Gaza-Streifen anschauen wollte. Ihrer Ansicht nach hätte man da wohl nicht als Journalist, sondern nur im Merkava-Panzer hinfahren dürfen. Ein anderer Abonnent teilte mal mit, er müsse leider kündigen, weil es finanziell gerade sehr eng bei ihm sei. Er habe sich entscheiden müssen: »Raten bei Otto.de für den neuen Flachbildschirm oder kritische Zeitung. Tja.«

Das ist zumindest nachvollziehbarer als die Entscheidung jenes Lesers, der kürzlich schrieb, er habe die Jungle World 20 Jahre lang und auch bis dato noch mit großem Gewinn gelesen – nun aber, wegen eines Artikels, müsse er leider kündigen. Worum es bei diesem Artikel ging, kann man sich vielleicht denken – der Ukraine-Krieg, natürlich. Das Thema erhitzt die Gemüter. Das weiß auch eine ­Redakteurin zu erzählen. Ihr Vater sei stolz gewesen, dass die Tochter bei der Jungle World arbeitet, habe dann aber im Laufe weniger Wochen gleich zwei Mal sein Abo gekündigt, weil ihn die Berichterstattung zum Ukraine-Krieg so aufregte. Inzwischen habe er aber wieder eines.

Nichts ist für immer. Das weiß auch ein Redakteur der Jungle World, der selbst mal vor Jahren sein Abo gekündigt hat – aus Protest gegen den Artikel eines prominenten, mit BDS sympathisierenden Autors –, bevor er dann später Redaktionsmitglied wurde. Für immer Abschied genommen haben jedoch offenbar einige ­Autorinnen und Autoren von der Monatszeitschrift Konkret. In einer auf der Website kontrast-mittel.org veröffentlichten Erklärung schreiben sie, dass »mit dem redaktionellen Kurs zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eine rote Linie überschritten« sei. Unter den Unterzeichnenden sind auch Redaktionsmitglieder sowie Autorinnen und Autoren der Jungle World. Nur deshalb wird das unangenehme Thema hier kurz angesprochen, denn im Gegensatz zu ihren außenpolitischen Vorstellungen propagiert die Jungle World im Umgang mit anderen Publikationen ein souveränistisches Modell: In die Angelegenheiten fremder Regime mischen wir uns nicht ein, und nichts läge uns ferner, als einer Farbenrevolution in anderen Redaktionen das Wort zu reden. Was die Mitglieder des Jungle-Kollektivs im Großen und Ganzen über den russischen Angriffskrieg denken, lässt sich sowieso unserer Zeitung entnehmen.