Der Jugendverband der AfD, die Junge Alternative, gewinnt immer mehr Einfluss

Die Höcke-Jugend

In der AfD gewinnen die völkisch-extremistischen Kräfte immer mehr Macht – dabei spielt der Jugendverband »Junge Alternative« eine wichtige Rolle.

Die Kräfte in der AfD, die zumindest aus taktischen Gründen der Partei eine eher gemäßigte Fassade verleihen wollen, verlieren immer weiter an Einfluss. Das zeigte sich zuletzt in Baden-Württemberg. Dort hatte das Landesamt für Verfassungsschutz Mitte Juli mitgeteilt, dass es den AfD-Landesverband offiziell als rechtsextremen Verdachtsfall einstuft. Entsprechendes galt bereits für die Bundespartei, seit dem entsprechenden Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts im März auch gerichtlich bestätigt – auch wenn die Partei dagegen beim Oberverwaltungsgericht in Münster klagt.

Als Begründung verwies der Landesverfassungsschutz auf extremistische Strömungen innerhalb der AfD, zum Beispiel den formal aufgelösten »Flügel« um den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, aber auch die »Junge Alternative« (JA), die Jugendorganisation der Partei. Die JA wird ebenso wie der »Flügel« schon seit 2019 als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. Die Mitteilung der Behörde kam nur wenige Tage vor dem Landesparteitag der AfD in Baden-Württemberg am 17. Juli – bei dem dann mit Reimond Hoffmann und Severin Köhler zwei Mitglieder der JA in den Landesvorstand gewählt wurden.

Der ehemalige Co-Vorsitzende der Jungen Alternative, Marvin T. Neumann, hatte auf Instagram geschrieben, »weiße Europäer« könnten Deutsche sein, »Schwarz­afrikaner aber nicht«.

Auch beim Bundesparteitag in Riesa im Juni hatte sich der völkische Flügel weitestgehend durchgesetzt. Kurz darauf hatte sich die »Junge Alternative« in einer Stellungnahme an den neu gewählten Parteivorstand gewendet. »Nach Jahren der Lähmung und Selbstbeschäftigung« erhoffe man sich »einen jugendpolitischen Kurswechsel«. Neben mehr »Kampagnenfähigkeit« fordere man eine »echte Erneuerung mit und nicht gegen die eigene Parteijugend«. Dazu gehöre »insbesondere Respekt« für jene, »die in jungen Jahren für ein besseres Deutschland berufsbiographisch fast alles« riskierten.

Die JA ist seit dem jüngsten Bundesparteitag mit Dennis Hohloch und dem JA-Bundesvorsitzenden Carlo Clemens im Bundesvorstand der AfD vertreten. Deshalb überrascht das selbstbewusste Auftreten der Jugendorgani­sation nicht. Bemerkenswert ist es dennoch – schließlich hatte der frühere Parteisprecher Jörg Meuthen noch vor nicht allzu langer Zeit die Auflösung der JA angedroht. Die JA war in den vergangenen Jahren wegen der Beobachtung durch den Verfassungsschutz und Verbindungen zur Identitären Bewegung auch innerparteilichem Druck ausgesetzt. Immer wieder waren rassistische Äußerungen von JA-Personal zu hören, die man sogar in der AfD wohl nur hinter verschlossenen Türen akzeptieren wollte. Marvin T. Neumann beispielsweise, ehemals Co-Vorsitzender der JA zusammen mit Clemens, hatte 2021 auf Instagram geschrieben, »weiße Europäer« könnten Deutsche sein, »Schwarzafrikaner aber nicht«. Das war seinerzeit zu viel, Neumann trat auf Druck des Parteivorstands aus der AfD aus.

Doch der damalige Parteivorsitzende Meuthen hat die Partei inzwischen selbst verlassen, die extremeren Kräfte haben sich durchgesetzt. Und auch die JA scheint an Einfluss zu gewinnen. Das zeigte sich unter anderem bei der Bundestagswahl, in der zahlreiche JA-Mitglieder (erneut) in den Bundestag gewählt wurden. Was die JA unter dem geforderten »jugendpolitischen Kurswechsel« und »Kampagnenfähigkeit« versteht, darauf deuten Kampagnen und Aktionen der vergangenen Monate hin. Zu Beginn des Pride-Monats Juni forderte die JA ihre Follower in den sozialen Medien auf: »Zeige jetzt deinen Nationalstolz und setze ein Zeichen gegen den linken Zeitgeist!« Profilbilder in abgestuften Deutschlandfarben als Pendant zu Regenbogenflaggen und Solidaritätsbekundungen für queere Menschen – »#nationalpride« statt ­Pride Month war die Devise.

Im März waren JA-Mitglieder in den nordhessischen Naturpark Reinhardswald gereist, um gegen den Bau einer Windkraftanlage zu protestierten. »Märchenwald muss bleiben« war das Motto des Protests. Auf Plakaten forderten sie »Heimat schützen!« und »Für echten Naturschutz!«. Zu den Mitreisenden gehörte neben Carlo Clemens, Mary Khan (stellvertretende Bundesvorsitzende der JA) und weiteren Vorstandsmitgliedern auch Jonas Schick. Dieser war früher in der Identitären Bewegung aktiv und schreibt für den Blog der Sezession. Außerdem tritt er als Herausgeber eines rechten Ökomagazins in Erscheinung, das Björn Höcke zufolge »Heimatliebe und Naturschutz« vereint.

Wie schon vergangene Aktionen der JA wurde das Protestgeschehen im Wald von dem Verein »Filmkunstkollektiv« aus Dresden begleitet. Diesem gehören auch Personen an, die für rechtsextreme Kampagnen oder Medien tätig sind, wie für das Kampagnenprojekt »Ein Prozent« oder das Compact Magazin. Die Verbindungen zwischen diesem Milieu und der JA sind eng.

Nachdem zum 1. Juli die Diäten von Bundestagsabgeordneten erhöht wurden, ließ Hannes Gnauck, AfD-Bundestagsabgeordneter und JA-Mitglied, seinem Unmut darüber in den sozialen Medien freien Lauf: »Perfide und falsch« sei es, »in dieser Zeit« mehr Geld an Mitglieder des Bundestags zu zahlen. Statt die zusätzlichen 350 Euro zu behalten, wolle er sie an das Filmkunstkollektiv spenden: »Aktivisten brauchen Unterstützung aus dem Parlament!« Die besagten Aktivisten zeigten sich erfreut und schrieben auf Twitter: »Hannes, Du bist ein echter Ehrenmann. Wir machen so lange weiter, bis sich in Deutschland alles wieder zum Guten wendet, versprochen!«

Die Arbeit des Filmkollektivs besteht vor allem darin, Proteste mit laufender Kamera zu begleiten, unter anderem Demonstra­tionen gegen die Coronamaßnahmen. Um Bilder zu liefern, die »die Mainstreammedien verschweigen«, berichtete man Mitte Juli zudem von den Bauernprotesten in den Niederlanden – gemeinsam mit der stellvertretende Bundesschatzmeisterin der JA, Anna Leisten.

Leisten und Gnauck sind Mitglieder des AfD-Landesverbands Brandenburg, der bis 2020 von Andreas Kalbitz angeführt wurde. Damals war herausgekommen, dass Kalbitz früher Mitglied der neonazistischen »Heimattreuen Deutschen Jugend« war, weshalb er die Partei verlassen musste. Seitdem ist Kalbitz zwar offiziell parteilos, aber weiterhin Mitglied der AfD-Fraktion im Landtag. Er ist regelmäßig bei AfD-Veranstaltungen zu Gast und pflegt ein ­enges Verhältnis zu Angehörigen der JA. Im Dezember lief Kalbitz bei einer ­Demonstration der JA in Berlin mit.

Beim Bundesparteitag in Riesa war Kalbitz zwar nicht mehr dabei, doch konnte sein früherer Verbündeter Björn Höcke mehrere Erfolge einfahren: »Ein Parteivorstand von Höckes Gnaden« titelten Zeitungen anschließend, auch mit Blick auf die Wahl des JA-Vorsitzenden Clemens in den Parteivorstand. Auf einen guten Draht zur Jugendorganisation hat Höcke schon immer Wert gelegt. »Das Wichtigste« sei nun, »Ruhe in den Laden« zu bekommen und die komplette Kraft »auf den politischen Gegner zu lenken«, betonte er während des Parteitags im Gespräch mit dem rechten österreichischen Sender Auf 1.