Ein Amsterdamer Schwimmbad trägt den Namen des jüdischen Widerstandskämpfers Salomon de Miranda

Erinnern im Schwimmbad

Der jüdische Widerstands­kämpfer Salomon »Monne« de Miranda wurde im Lager mutmaßlich von kommunistischen Mitgefangenen zu Tode gequält. Angesichts seiner Verdienste als sozialdemokratischer Politiker vor der Besatzung fällt diese Ehrung zu dürftig aus.

Normalerweise ist es durchaus eine Ehre, ein Freibad nach sich benannt zu bekommen. Im Fall von Salomon »Monne« de Miranda kommt es jedoch einem Affront gleich, dass lediglich das Amsterdamer Miranda-Bad an ihn erinnert – während anderen engagierten Lokalpolitikern seiner Zeit schon längst Denkmäler gesetzt worden sind. Monne de Miranda war Jude und wurde 1942 im Lager Amersfoort tagelang gequält und schließlich ermordet, allerdings nicht von deutschen Nazis, sondern von seinen niederländischen Mitgefangenen.

De Miranda wurde am 21. März 1875 in Amsterdam geboren. Mit elf Jahren ging Monne von der Schule ab, um wie sein Vater als Diamantschleifer zu arbeiten. Er engagierte sich im Algemene Nederlandse Diamantbewerkersbond, kurz ANDB. Diese 1894 gegründete Gewerkschaft galt als die bestorganisierte des Landes, 1898 war sie kurzfristig sogar die größte der Niederlande. Zwischen 1902 und 1904 konnte der ANDB den Neunstundentag durchsetzen, ­dafür streikten die Diamantenschleifer wie andere Berufsgruppen auch solidarisch mit, als die Bahnarbeiter für ihr Recht auf gewerkschaftliche Organi­sation in den Ausstand traten.

Monne de Miranda war außerdem parteipolitisch aktiv. 1911 wurde er für die sozialdemokratische SDAP in Amsterdam zum Gemeenteraadslid (Ratsherrn) gewählt. Miranda war maßgeblich an der Entwicklung der Centralen Markthallen beteiligt und trieb den sozialen Wohnungsbau voran. Außerdem setzte er sich für die Errichtung moderner Schwimmbäder ein, deren Besuch sich auch Arbeiter und ihre Familien leisten konnten. Bei der Errichtung neuer Wohnungen, aber auch öffentlicher Parkanlagen wie dem »Amsterdamse Bos« griffen de Miranda und seine sozialdemokratischen Mitstreiter auf Arbeitslose als Bauhelfer zurück, die sie unter Androhung der Streichung von Sozialleistungen zwangsverpflich­teten. Insbesondere die Kommunisten prangerten wiederholt die Arbeitsbedingungen und die schlechte Bezahlung der unfreiwilligen Bauhelfer an.

Ein Amsterdamer Kommunist soll dafür gesorgt haben, dass der »Sozialfaschist« de Miranda dem schwersten Arbeitskommando, dem Barrackenbau, zugeteilt wurde.

In den zwanziger Jahren erlitt Monne de Miranda einen Schicksalsschlag, von dem er sich nie richtig erholen sollte. Am 14. Februar 1923 starb seine Ehefrau Selly im Alter von nur 37 Jahren, die beiden waren seit 1905 verheiratet gewesen. Monne de Miranda kümmerte sich in den folgenden drei Jahren allein um seine insgesamt fünf Kinder. 1926 heiratete er die nichtjüdische Lehrerin Mien Timmerman, die später vergeblich versuchen sollte, ihn aus der Nazi-Haft zu retten. Im gleichen Jahr scheiterte sein ambitionierter Plan, für die Amsterdamer Arbeiter eine Gartenstadt im Gebiet Het Gooi zu errichten, am Widerstand der konservativen Bewohner des bäuerlich geprägten Landstrichs.

Am 6. Januar 1939 erschien in der Tageszeitung De Telegraaf eine Titelgeschichte, in der de Miranda in Zusammenhang mit der Vergabe kommunaler Grundstücke an eine jüdische Baugenossenschaft der Korruption bezichtigt wurde. Eine Untersuchungskommission stellte schließlich seine Unschuld fest, er habe lediglich nicht näher definierte »politische Fehler« gemacht. Monne de Miranda konnte an den Debatten des Gemeinderats über die Vorwürfe nicht teilnehmen, weil er aufgrund von Depressionen zeitweilig in einer psychiatrischen Einrichtung ­stationär behandelt werden musste.

Während der deutschen Besatzungszeit kam de Miranda mehrfach den ­Nationalsozialisten in die Quere, unter anderem weil er sich weigerte, der Bitte des die Rache der Nazis fürchtenden Judenrats zu entsprechen und dabei zu helfen, den »Februaristaking« zu beenden, den einzigen Massenstreik gegen die Judenverfolgung in den Niederlanden im Februar 1941. Außerdem besuchte er weiter nun ­illegale Parteiversammlungen und war in den jüdischen Widerstand involviert.

Am 18. Juli 1942 wurde Monne de Miranda von der Gestapo verhaftet und Ende Oktober mit anderen Juden ins Lager Amersfoort deportiert. Dort wurde der ehemalige Politiker nach Aussage überlebender Mitgefangener vom Moment seiner Einlieferung an von anderen, hauptsächlich wohl kommunistischen Inhaftierten, misshandelt. Sie wollten, so wurde später berichtet, Rache nehmen für die Missstände beim Bau. Allerdings dürften bei anderen Gefangenen auch antisemitische Motive eine Rolle gespielt haben: Der Block­älteste Teun van Es zwang de Miranda beispielsweise, sich auszuziehen, weil er sehen wollte, ob der 67jährige beschnitten war. Anschließend stempelte oder schrieb van Es ihm die Zahl 7 auf die Stirn und andere Körperteile und erklärte dazu, so viele Tage habe de Miranda noch zu leben.

Willem Eegdeman, ein Amsterdamer Kommunist, soll am nächsten Tag unter Verweis auf den Parkbau dafür gesorgt haben, dass der »Sozialfaschist« de Miranda dem schwersten Arbeitskommando, dem Barackenbau, zu­geteilt wurde. Der ehemalige Ratsherr, der als zierlich und klein beschrieben wurde, wurde dort so schwer misshandelt und unter anderem kurzzeitig lebendig in einer Baugrube unter Schutt begraben, so dass er bewusstlos in die Krankenstation eingeliefert wurde. Der niederländische Nazi und Arzt Jan Hendrik Klomp schrieb ihn jedoch nach kurzer Zeit wieder arbeitsfähig.

Am zehnten Tag in Amersfoort starb de Miranda, nachdem er vom Block­ältesten im Duschraum misshandelt worden war. Teun van Es, ein einfaches Mitglied in der Widerstandsgruppe De Geuzen, wurde nach dem Krieg unter anderem wegen des Mordes an Monne de Miranda zu zwölf Jahren Haft verurteilt und 1955 begnadigt. Ob er wirklich, wie von einem Zeugen behauptet, von Kommunisten mit der Ermordung de Mirandas beauftragt worden war, konnte nie zweifelsfrei geklärt werden.