Small Talk mit Ursula Quack vom Saarländischen Flüchtlingsrat über eine Anklageerhebung im Mordfall Samuel Yeboah nach knapp 31 Jahren

»Das war ein rassistischer Mordanschlag«

Fast 31 Jahre nach dem rassistischen Brandanschlag in Saarlouis am 19. September 1991, bei dem Samuel Yeboah ermordet wurde, gab die Generalbundesanwaltschaft vergangene Woche bekannt, dass sie gegen ­Peter S., einen mutmaßlichen Täter, Anklage wegen Mord, Mordversuchs in 20 Fällen sowie Brandstiftung mit Todesfolge und versuchter Todesfolge erhebt. Die Ermittlungen waren damals bereits nach wenigen Monaten eingestellt worden, Behörden und politisch Verantwortliche ignorierten alle Hinweise auf einen rassistischen Hintergrund. Nur zivilgesellschaftliche Gruppen gedachten Yeboahs und forderten Aufklärung. Die Jungle World sprach mit ­Ursula Quack vom Saarländischen Flüchtlingsrat.
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Hat Sie die Wiederaufnahme der Ermittlungen durch die Generalbundesanwaltschaft vor zwei Jahren überrascht?

Ja, auf jeden Fall. Die Erinnerung an Samuel Yeboah und das rassistische Verbrechen waren immer präsent durch die Initiativen der Antifa Saar/Projekt AK, Aktion 3. Welt Saar und des Saarländischen Flüchtlingsrats. Die Aufnahme der Ermittlungen vor zwei Jahren war jedoch hauptsächlich auf die Aussagen einer Zeugin zurückzuführen.

Welche Erwartungen haben Sie an den Prozess gegen Peter S.?

Dass der Täter verurteilt wird. Dass klargestellt wird, das war ein rassistischer Mordanschlag. Das wäre auch für die Überlebenden sehr wichtig. Sie sind durch die Ereignisse bis heute traumatisiert. Wünschenswert wäre auch ein Blick auf die rechtsradikale Szene in und um Saarlouis, zu der der mutmaßliche Täter gehört. Allein 1991 und 1992 gab es gut 15 rassistische Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im Saarland, die meisten davon in der Region Saarlouis.

Was werfen Sie den ermittelnden Behörden vor?

Damals: komplettes Versagen. Dass die Bundesanwaltschaft es in den vergangenen zwei Jahren geschafft hat, genügend Beweismaterial zur Prozess­eröffnung zusammenzutragen, zeigt, man hätte schon damals Ermittlungsergebnisse erzielen können. ­Außerdem gibt es bis heute keinen Versuch von offizieller Seite, Kontakt zu den Überlebenden aufzunehmen, sich überhaupt nach ihnen zu erkundigen oder sich bei ihnen zu entschuldigen.

Welche Erfahrungen haben Sie im Kampf für Aufklärung und ein öffentliches Gedenken an Samuel Yeboah gemacht?

Von Beginn an waren wir mit einer Strategie des kalten Vergessens durch die Stadt Saarlouis konfrontiert. Beispielsweise brachte ein antifaschistisches Bündnis am zehnten Jahrestag der Ermordung am Rathaus in Saarlouis eine Gedenktafel zur Erinnerung an Samuel Yeboah an. Am selben Tag ließ der Bürgermeister sie entfernen und erstattete Anzeige.

Und was geschieht nun?

Zunächst geht es uns um die Überlebenden. Wir möchten uns für ihre Anerkennung als Opfer und dessen, was sie erlitten haben, in Form einer finanziellen Entschädigung stark machen. Etwa so, wie es das in Hessen in Form eines Opferfonds für die Hinterbliebenen des Hanau-Anschlags gibt. Es ist also möglich, die Verantwortlichen müssen nur wollen. Außerdem fordern wir die Offenlegung der Akten und einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.