Dem Verschwörungstheoretiker Alex Jones wurde der Prozess gemacht

Ein bisschen Gerechtigkeit

Jahrelang verbreitete der Verschwörungstheoretiker Alex Jones Lügen und paranoide Wahnvorstellungen – unter anderem über die Eltern von Kindern, die bei einem Amoklauf getötet wurden. Nun muss er fast 50 Millionen US-Dollar Schadensersatz zahlen.

Wie sich in den vergangenen Jahren auch in Deutschland zeigte, ist das Verbreiten von Verschwörungsgeschichten und fake news ein ertragreiches Geschäft. Zu denen, die es als ­Pioniere der sogenannten Truther-Bewegung zu immensem Reichtum gebracht haben, gehört der Betreiber des Online-Portals »Info Wars«, Alex Jones. Der heute 48jährige Texaner hatte ­bereits als Teenager Klassiker der Verschwörungsliteratur gelesen. Seit dem Bombenanschlag des Nazis Timothy McVeigh in Oklahoma City 1995 war er der Idee verfallen, dass finstere Mächte unschuldige Bürger versklaven wollen und durch inszenierte false flag-Operationen Terror verbreiten.

1999 gründete Alex Jones »Info Wars«, nachdem er vom Radiosender KJFK-FM als Moderator gefeuert worden war. Seine Ansichten hätten potentielle Werbekunden verschreckt, sagte damals ein Manager des Senders. Herzstück von »Info Wars« war die Radio- und Internetsendung, in der Jones fast täglich die bizarrsten Verschwörungslügen ausbreitet.

Alex Jones’ Privatvermögen und der Wert seines Unternehmens beträgt nach Berechnungen des Finanzexperten Bernhard Pettingill mittlerweile zwischen 135 und 270 Millionen US-Dollar. Die Free Speech Company, die »Info Wars« betreibt, hat sich freilich Ende Juli offiziell für bankrott erklärt. Sie erzielte ihre Einnahmen nicht nur mit Werbung und Fanartikeln, sondern auch durch den Verkauf von aggressiv an­gepriesenen Nahrungsergänzungsmitteln und Wunderarzneien, bei denen oft fraglich ist, wie sie was bewirken sollen. Interessanterweise versuchen auch europäische Websites, die den Verschwörungsglauben befeuern, mit eben diesem Konzept Geld zu machen.

Alex Jones’ Privatvermögen und der Wert seines Unternehmens beträgt nach Berechnungen des Finanz­experten Bernhard Pettingill mittlerweile zwischen 135 und 270 Millionen US-Dollar.

Dass die finanziellen Verhältnisse von Alex Jones relativ genau durchleuchtet wurden, liegt an einer Schadensersatzklage einer Gruppe von ­Eltern, die sich seit Jahren gegen böswillige Verleumdungen durch ihn wehren: die Hinterbliebenen der beim Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule Getöteten. Dort erschoss im Jahr 2012 ein junger Mann 28 Menschen, darunter 20 Kinder. Für Jones war auch dies eine false flag operation der Regierung (damals war noch Barack Obama Präsident) mit dem Ziel, die Waffenrechte in den USA einzuschränken. Die Eltern der getöteten Kinder seien von der Regierung engagierte Schauspieler, behauptete er in seiner Sendung.

In der Folge wurden die Angehörigen der Opfer jahrelang von »Info Wars«-Fans als staatsfinanzierte Schauspieler, finanzielle Profiteure und Lügner beschimpft und belästigt. Nennenswerte Unterstützung für die Eltern und Solidarität mit ihnen hatte es in den ersten Jahren zudem noch nicht gegeben. Das änderte sich erst, als Donald Trump Präsidentschaftskandidat wurde und das Bewusstsein für die Problematik von paranoiden Verschwörungs­mythen wuchs, wie sie Jones seit Jahren verbreitet hatte.

Als die Eltern der Sandy-Hook-Opfer Jones auf Entschädigung verklagten, dachte dieser womöglich, bei einem Prozess glimpflich davonzukommen. In der Vergangenheit hatten Verschwörungsprofiteure immer wieder und meist gezwungenermaßen eingestanden, keinerlei Belege für ihre Behauptungen zu haben – und es gleichzeitig geschafft, dass ihre Anhänger und Anhängerinnen weiter unerschütterlich glaubten, die Dementis seien nur zum Schein erfolgt.

So war es auch beim sogenannten Pizzagate gewesen, einer Verschwörungslüge, die von Jones verbreitet worden war. Der Inhaber der Washingtoner Pizzeria »Comet Ping Pong« hatte 2017 eine Entschuldigung und eine Richtigstellung von »Info Wars« verlangt – und war damit erfolgreich gewesen. Gleichwohl gehört die Lügen­geschichte vom Restaurantkeller, in dem Kinder von prominenten demokratischen Politikern sowie Hollywood-Stars gefoltert und missbraucht werden, weiterhin zum Standardrepertoire ­international verbreiteter Verschwörungstheorien.

Diesmal aber machte die Gerichtsverhandlung sogar international Schlagzeilen – und vergangene Woche wurde Jones schließlich dazu verurteilt, fast 50 Millionen US-Dollar Schadensersatz an die Geschädigten zu zahlen. Zusätzlich könnten die eigenen Anwälte mutmaßlich unabsichtlich dafür gesorgt haben, dass Alex Jones demnächst erneut vor dem Unter­suchungsausschuss im US-amerikanischen Parlament zu den Ereignissen am 6. Januar 2021 erscheinen muss. Als Trumps Anhänger damals das Kapitol in Washington, D.C., stürmten, war auch Jones zugegen. Bei seiner ersten Vor­ladung im Untersuchungsausschuss hatte er eigenen Angaben zufolge mehr als hundertmal die Aussage verweigert, um sich nicht selbst zu be­lasten. Mitte Juli hatten Jones’ Anwälte jedoch versehentlich Mails, Textnachrichten und weitere Inhalte vom Handy des Verschwörungsprofiteurs an einen Rechtsvertreter der Sandy-Hook-­Eltern gesendet. Daraus ging unter anderem hervor, dass die Verschwörungsplattform an manchen Tagen des ­Jahres 2018 täglich 800 000 Dollar umsetzte und Jones’ Multimillionär ist. Medienberichten zufolge will der Untersuchungsausschuss Einsicht in ­diese Daten beantragen.

Er könnte sie schon bei seiner nächsten Sitzung im September benutzen, um Jones’ Verwicklungen in den Sturm des Mobs auf das Kapitol weiter aufzuklären; Medienberichten zufolge soll er zu dieser Zeit in engem Kontakt mit Trumps Vertrauensleuten gestanden haben.

Noch ein weiterer Profiteur von rechten Verschwörungslügen hatte Ärger mit der Justiz: Lions Not Sheep, eine auf Bekleidung für Alt-Right-Anhänger spezialisierte Firma, die unter anderem Shirts mit der Aufschrift »Give ­Violence a Chance« anbot, muss einem Bericht der Salt Lake Tribune zufolge 211 335 US-Dollar Strafe zahlen. Das Unternehmen hatte aus Textilien »Made in China«-Etiketten herausgeschnitten und durch »Made in the USA«-Schildchen ersetzt.