Jaanus Samma fusioniert folkloristische Muster mit schwuler Ästhetik

»Es wird besser«

Schwule Ikonographie, baltische Folklore und die Brutalität der Geschichte: In seinen multimedialen Arbeiten beschäftigt sich der Tallinner Künstler Jaanus Samma mit dem Alltag homosexueller Männer in Estland zu Zeiten der Sowjetunion und nach deren Zusammenbruch. Inzwischen, so Samma, habe sich vor allem in den Städten einiges zum Positiven geändert.
Interview Von

Wie würden Sie Ihre künstlerische Arbeit beschreiben?

In letzter Zeit beschäftige ich mich vor allem mit verschiedenen Formen von Kunsthandwerk. Ich arbeite viel mit geschichtlichen Themen, die beiden Beschäftigungsfelder gehen daher Hand in Hand.

Sie verbinden traditionelle folk­loristische Muster mit einer ­modernen queeren Ästhetik. Was ist die Idee dahinter?

Man muss bedenken, dass es sich bei diesen Traditionen um vereinfachende Konstruktionen handelt, die in der Sowjetzeit ihre endgültige Form erhielten. Ich habe das Gefühl, dass während dieses Prozesses viele Stimmen ausgeblendet wurden. Mit meiner Arbeit möchte ich die verdrängten Stimmen und Aspekte für das estnische Kulturerbe zurück­gewinnen und eine alternative Geschichtsschreibung entwerfen. So habe ich vor kurzem eine Interpretation eines traditionellen Hochzeitswandteppichs angefertigt, bei der ich die Struktur und die Farben der traditionellen Tapisserie beibehalte, die Ikonographie aber mit queeren Motiven ergänze oder ersetze.

Die Arbeit mit historischem Material bedeutet immer auch, die Geschichte zu interpretieren. Wie ist Ihr Verhältnis zu den historischen Bildern, Dokumenten und Erzählungen?

Natürlich bin ich kein Historiker. Historiker haben ihre eigenen Methoden, so wie auch Künstler ihre eigenen – anderen – Zugänge haben. Es hat etwas sehr Machtvolles, dass Künstler freier interpretieren können als Historiker und aus wenigen geschichtlichen Fragmenten künstlerische Arbeiten erschaffen. Das ist das Schöne an der Kunst.

Die Pullover Ihrer Serie »Sweaters« werden von älteren Damen gestrickt. Worum geht es dabei und wie war die Zusammenarbeit mit den Strickerinnen?

»Es hat etwas sehr Machtvolles, dass Künstler freier inter­pre­tieren können als His­­­toriker und aus weni­gen geschichtlichen Frag­menten künstle­ri­sche Arbeiten erschaffen.«

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