Der Ukraine-Krieg verschärft die geschichtspolitischen Kontroversen in Lettland

Tabula rasa

Der Abriss des Denkmals für den Sieg der Roten Armee über den Nationalsozialismus in Riga galt vielen Letten als überfällig. Der Ukraine-Krieg hat die die geschichtspolitischen Kontroversen über die Sowjetherrschaft in Lettland zugespitzt.

Anfang voriger Woche war der Obelisk noch von weitem zu sehen. »Moskaus Finger«, wie ihn in Lettland manche despektierlich nennen, war 79 Meter hoch und ein Teil des sowjetischen Siegesdenkmals in der lettischen Hauptstadt Riga, zu dem zwei Skulpturen gehörten: »Mutter Heimat« und eine Gruppe aus drei Rotarmisten. Offiziell trug es den Namen »Denkmal für die Befreier von Sowjet-Lettland und Riga von den deutsch-faschistischen Invasoren« und war 1985 zum 40. Jahrestag des Siegs der sowjetischen Truppen über Nazi-Deutschland errichtet worden.

Das Monument stand im Siegespark, einer grünen Oase der Ruhe in der Stadt, wo Jogger ihre Runden drehen und ­Eltern Kinderwagen durch die Gegend schieben. Nahe heran kam man nicht. Das Areal war weiträumig mit gelben Metallgittern abgesperrt. Rundum standen vereinzelt Polizeifahrzeuge mit blinkendem Blaulicht. Gelangweilte Polizistinnen beobachteten die Szenerie, nichts Weltbewegendes passierte. Hin und wieder kamen Passanten und fotografierten das Denkmal. Neben ihm standen 17 Fahnenmasten, die abwechselnd mit einer rot-weiß-roten lettischen oder einer blau-gelben ukrainischen Nationalflagge bestückt waren.

Roter Stern am Denkmal versus lettische und ukrainische Nationalflaggen an den Fahnenmasten – so lässt sich die gegenwärtige Kontroverse um das Denkmal zusammenfassen. Steht dieses für den sowjetischen Sieg über Nazi-Deutschland oder mittlerweile auch für den russischen Krieg gegen die Ukraine?

Der lettische Nationalismus hat sich in starker Abgrenzung zur von der Sowjetunion betriebenen »Russifizierung« entwickelt.

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