Bolsonaro hat die Gewalt in ­Brasilien dereguliert

Bewaffnete soziale Deregulierung

Das Problem der Gewaltkriminalität hat Jair Bolsonaro nicht wie ­angekündigt behoben, es hat sich lediglich gewandelt. Informalität und Abbau der Institutionen haben ein Klima der Gewalt erzeugt, in dem vor allem die Milizen gedeihen, die in den Favelas ihr Unwesen treiben.

Mit der Inszenierung als Vorkämpfer gegen die Gewaltkriminalität gewann Bolsonaro die Präsidentschaftswahlen 2018. Vier Jahre später machen ihn viele für die erneute Zunahme von Gewalttaten verantwortlich. Es handelt sich nicht nur um politische Gewalt, wie sie zahlreiche Gegner Bolsonaros erlitten haben. Beispielhaft ist das Massaker der Militärpolizei in der Favela Jacarezinho: Am 6. Mai 2021 wurden dort 28 Menschen getötet. Das war die tödlichste Operation in der Geschichte Rios und es gab zahlreiche Berichte über Hinrichtungen. Die Ermittlungen zu den Todesfällen wurden von den Polizeikontrollorganen allerdings auf Eis gelegt. Diese Situation ist das Ergebnis einer verfehlten Sicherheitspolitik ­vergangener Regierungen, zu denen Bolsonaro eine ganz eigene Komponente hinzugefügt hat.

Der ausgrenzende Charakter der brasilianischen Modernisierung, die in den achtziger Jahren zum Stillstand kam, führte in den Städten zu Unterbeschäftigung und weitreichender Pre­karisierung. Besonders in den Städten breitete sich der informelle Sektor aus und die organisierte Krimi­nalität wurde zu einem relevanten Beschäftigungsangebot. Schätzungen ­zufolge waren in den neunziger Jahren allein in der Stadt Rio de Janeiro etwa 100 000 Menschen in den Drogenhandel verwickelt.

Die Milizen, die in der Peripherie Rios operieren, sind nicht der Staatsmacht untergeordnet, wie Linke oft annehmen, vielmehr gleichen sie den Warlords ge­­schei­terter Staaten.

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