Bundeskanzler Olaf Scholz hofiert die Golfmonarchen

Zerteilen und herrschen

Was kümmert mich der Dax Von

Einst er­hielten Könige Bei­namen wie »der Große«, manchmal allerdings auch weniger schmeichelhafte wie »der Schreckliche«. Mo­hammed bin Salman, offiziell nur Kronprinz, de facto aber bereits Herrscher Saudi-Arabiens, widerfährt die zweifelhafte Ehre, dass seine Initialen als »Mister Bone Saw« (Herr Knochensäge) gedeutet werden, seit er 2018 den Dissidenten Kamal Khashoggi in der Türkei ermorden ließ. Medienberichten zufolge wurde die Leiche – einigen Aussagen zufolge sogar der noch lebende Khashoggi – mit einer Knochensäge zerteilt. Die unappetitlichen Details sind nicht eindeutig belegt, doch sowohl die UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard als auch die US-Geheimdienste sind sich sicher, dass MBS für den Mord verantwortlich ist.

Es musste also eine Schamfrist verstreichen, bevor westliche Regierungschefs ihm wieder die Ehre gaben. Nach jenen Frankreichs, Großbritanniens und der USA traf nun Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Saudi-Arabien ein und schüttelte die Hand des Kronprinzen. Bei dem Treffen habe er auch den Mord an Khashoggi angesprochen, sagte Scholz beim anschließenden Pressetermin. Man fragt sich ja, wie so etwas vor sich geht. Verschiedene ­Szenarien sind denkbar: »Khashoggi?« »Ich war das nicht.« »Na dann, zurück zum Geschäft.« Oder so: »Könnten Eure Hoheit geruhen, beim nächsten Mal ­etwas diskreter vorzugehen? Dann habe ich weniger Stress mit den Moral­aposteln und wir müssen weniger ­Theater spielen. Gift, ein Autounfall, Erstickungstod nach Einnahme eines Brechmittels – es gibt so viele Möglichkeiten!« »Hmm.« »Na dann, zurück zum Geschäft.« Oder vielleicht: »Darf ich Eure Hoheit um eine kleine Ge­fälligkeit ersuchen? Es gibt da Cum-Ex-Ermittler, die ich nicht absägen kann, und unsere Geheimdienstler sind allesamt Pfeifen. Ein Mann mit Euren ­Fähigkeiten hingegen … « Aber so etwas hat unser Kanzler nicht nötig, die ­Ermittlungen werden auch ohne Hilfe aus dem Wüstenstaat im Sande ver­laufen.

Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, hat Scholz gewiss auch unnachgiebig eine feministische Außenpolitik vertreten. Dem laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit angestrebten »Ausbau der Wirtschafts- und Energiekooperation« auch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar – wenn man schon mal in der Gegend ist, kann man auch gleich ein paar ­Diktatorenhände mehr schütteln – stehen kleine Meinungsverschieden­heiten aber nicht im Weg. Doch Moral­apostel ereifern sich nicht nur über zersägte Dissidenten, sondern auch über das eiserne Festhalten an der Nutzung fossiler Brennstoffe. Wie zuvor schon Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bediente sich Scholz daher des Zauberworts »Wasserstoff«. Bei dessen Produktion haben die Golfmonarchien allerdings nur einen Wettbewerbs­vorteil, wenn sie fossile Brennstoffe einsetzen; konkrete Vereinbarungen gab es ohnehin nur über die Lieferung von Gas und Diesel. Es wird also noch viele Gelegenheiten geben, mit den Golfmonarchen den von den Deutschen so geliebten kritischen Dialog über Menschenrechte und erneuerbare Energien zu führen.