Das Ergebnis der niedersächsischen Landtagswahl

Partnertausch in Niedersachsen

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil wird auch in Zukunft das Land regieren. Statt der CDU dürften die Grünen sein Koalitionspartner werden.
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Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach im Amt bleiben, und das mit seinem Wunschpartner, den Grünen. Weils Gegenkandidat, der bisherige Wirtschaftsminister Bernd Althusmann, und seine CDU erhielten am Sonntag nur 28,1 Prozent der Zweitstimmen; es war das schlechteste Ergebnis der CDU in Niedersachsen seit 1955. Althusmann kündigte noch am Wahlabend seinen Rücktritt als CDU-Landesvorsitzender an. Die SPD verlor zwar 3,5 Prozentpunkte im Vergleich zur Landtagswahl 2017, blieb aber mit 33,4 Prozent der Zweitstimmen stärkste Kraft und im Rahmen ihrer Wahlergebnisse der vergan-genen 20 Jahre.

Die beiden großen Gewinner der Wahl waren Bündnis 90/Die Grünen mit 14,5 Prozent der Zweitstimmen und einem Zugewinn von 5,8 Prozentpunkten und die AfD, die 4,7 Prozentpunkte zulegte und 10,9 Prozent der Zweitstimmen erhielt. Für die Grünen, die im Sommer noch in Umfragen um die 20 Prozent erhielten, hatte der Triumph einen leicht bitteren Beigeschmack.

Der AfD, die in Niedersachsen vor allem durch Spaltung und Skandale für Schlagzeilen sorgte, gelang es, allen großen Parteien bis auf Bündnis 90/Die Grünen Wähler abspenstig zu machen. Sie profitierte davon, dass die extrem rechte Klientel fest zur Partei steht, und von den langsam auch in den westlichen Bundesländern aufkommenden Protesten gegen Inflation und hohe Energiepreise. Nach einer langen Reihe von Wahlniederlagen könnte Niedersachsen ein Zeichen für ein erneutes Erstarken der extremen Rechten sein.

Die FDP flog hingegen aus dem niedersächsischen Landtag. Sie erreichte nur noch 4,7 Prozent der Zweitstimmen, was einem Verlust von 2,8 Prozentpunkten entspricht. Nach den Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen – in Saarbrücken verpasste sie den Parlamentseinzug, in Kiel und Düsseldorf flog sie aus der Regierung – ist es bereits die vierte Niederlage in diesem Jahr beziehungsweise seit dem Eintritt in die Ampelkoalition im Bund. Für SPD und Grüne dürfte das Regieren mit einer um ihr parlamentarisches Überleben kämpfenden FDP von nun an noch einmal deutlich schwieriger werden.

Wenig überraschend verpasste die Linkspartei mit 2,7 Prozent der Zweitstimmen erneut den Einzug in den niedersächsischen Landtag; im Vergleich zur vorherigen Landtagswahl verlor die Partei 1,9 Prozentpunkte. In den westlichen Bundesländern nähert sie sich damit langsam von oben der DKP an.

Der Grund für den Wahlsieg der SPD heißt Stephan Weil. Weil ist im Land beliebt, der blasse Althusmann war nicht mehr als ein Zählkandidat. Mit Rot-Grün bekommen die Niedersachsen nun wohl die in dem Bundesland Umfragen zufolge am meisten gewünschte Regierungskoalition.

Für den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz sowie den Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzenden Christian Lindner dürfte es nach diesem Ergebnis nun noch ungemütlicher werden. Es ist offensichtlich, dass Merz die Hoffnungen seiner Anhänger, er möge die CDU zur alten Stärke zurückführen, nicht erfüllt. Und die Regierungsbeteiligung der FDP in der Ampelkoalition erweist sich immer mehr als Verlustgeschäft. Auch wenn die SPD bundesweit schwächelt und die Grünen seit Wochen in den Umfragen an Zustimmung verlieren, gelingt es Union und FDP nicht, davon zu profitieren. Vor allem für Merz, den Oppositionsführer im Bundestag, dürfte das eine bittere Erkenntnis sein.

Einer Umfrage des Meinungsinstitutes Forsa zufolge glauben über 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, dass keine Partei in der Lage ist, Probleme wie die Energiekrise oder die Inflation zu lösen. Diese Stimmung ist für die demokratischen Parteien gefährlich und von ihr profitiert die AfD. Zwar glauben nur wenige ihrer Wählerinnen und Wähler daran, dass sie in der Lage ist, Energiekrise und Inflation in den Griff zu bekommen. Aber die Partei schafft es wieder, über ihre extrem rechte Kernwählerschaft hinaus den vermeintlich gemäßigten Teil der sogenannten Wutbürger dazu zu bringen, sie zu wählen.