Auszug aus dem Roman »Felix« über homosexuelle Liebe im linksradikalen Milieu

Felix

Zwischen Zivildienst im Krankenhaus und autonomem Zentrum lernt der junge Tom den Medizinstudenten Felix kennen. Seiner generelle Orientierungslosigkeit treten Begehren und politische Arbeit gegenüber. Holger Brüns erzählt zugänglich in seinem zweiten ­semiautobiographischen Roman »Felix« eine Liebesgeschichte, die von den Umbrüchen der achtziger Jahre gezeichnet ist.
Imprint Von

1 Hamburg
Herbst 1985

Losgefahren ohne Plan. Ins Blaue hinein. Vier Tage Zeit. Felix und ich in seinem alten VW-Bus. Von Göttingen nach Hamburg. Erste Station im Wendland bei Freunden. Weiter über Lauenburg, Büchen, Mölln und Ratzeburg. Herrliche Herbsttage. Die Wälder schon verfärbt, die Sonne wärmt noch. Um die Mittagszeit suchen wir Seen. Zum Baden ist es zu kalt. Wir krempeln die Hosen hoch, halten die Füße ins Wasser. Neben uns steht ein schwarz-rot-gold bemalter Pfosten. In der Mitte des Sees ist unsere Welt zu Ende. Zonengrenze. Immer wieder kommen wir auf dieser Reise nicht weiter, hören Wege plötzlich auf, zerteilt ein Zaun die Landschaft. Auch auf der anderen Seite sind ­Dörfer, Wälder und Seen. Dazwischen liegt ein Streifen gepflügtes Land, Wachtürme und Stacheldraht.

Zwei Nächte haben wir im Auto geschlafen. In einem Dorf hinter Ratzeburg wirbt eine Pension mit einer Terrasse zum See. Wir leisten uns ein Zimmer. Die Wirtin, nicht unfreundlich, lässt sich Ausweise zeigen und kassiert im Voraus. Zwei junge Männer, der eine mit schulterlangen Haaren, der andere kurz geschoren mit einem Ring im Ohr, die aus einem zerbeulten VW-Bus steigen, da ist man besser vorsichtig. Ihr Mann, der uns in dem kleinen Biergarten mit Blick aufs Wasser das Essen bringt, fragt leutselig nach dem Woher und Wohin, stellt, als er die Rechnung bringt, zwei Schnäpse auf den Tisch.

»Was haben sie in der Klinik gesagt?« »Es wäre besser, wenn ich mir einen Arzt in Göttingen suchen würde. Sie haben mir welche aufgeschrieben.« »Und was soll passieren? Musst du Tabletten nehmen oder so was?« »Es gibt verschiedene Meinungen.«

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