Christina Müller-Ehlers von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe über die Aktionstage Gefängnis

»Mauern überwinden«

Ein Bündnis verschiedener Initiativen veranstaltet jährlich Anfang November die Aktionstage Gefängnis. Die Jungle World sprach mit Christina Müller-Ehlers, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe.
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Was sind die Aktionstage Gefängnis?

Die Aktionstage Gefängnis finden in Deutschland seit 2017 jährlich vom 1. bis zum 10. November unter einem wechselnden Motto statt. Sie sind nach dem französischen und belgischen Vorbild »Journées Nationales Prison« entstanden. Die in dem Bündnis Aktiven sind Verbände und Träger der Straffälligenhilfe, Hochschulen und zivilgesellschaftliche Vereinigungen wie das Strafvollzugsarchiv, also Organisationen, die in irgendeiner Weise einen Zugang zum Vollzug haben. Ziel des Bündnisses ist es, die Gesellschaft für den Strafvollzug und dessen Folgen zu sensibilisieren.

Welche Veranstaltungen sind für dieses Jahr geplant?

Das diesjährige Motto der Aktionstage ist »Gefängnis – Kultur – Gefängniskultur«. Anders als in früheren Jahren versuchen wir mittlerweile, Themen aufzugreifen, an denen die gesamte Gesellschaft interessiert ist, die also sowohl drinnen als auch draußen relevant sind. Am Anfang hatten wir beispielsweise das Thema Mindestlohn im Vollzug, das war für uns zwar relevant, aber für viele draußen eher nicht. Deshalb haben wir dieses Jahr das Kulturthema. Dazu gibt es neben Fachvorträgen etwa eine szenische Lesung von Briefen und Texten aus dem Gefängnis, eine Lesung von Texten einer Gruppe für kreatives Schreiben aus einer Jugendhaftanstalt, einen Theaterworkshop von »Theater hinter Gittern«, Filmvorführungen, Ausstellungen und andere Mitmachprojekte.

Gibt es auch Veranstaltungen in Gefängnissen?

In diesem Jahr nicht, es gab aber in vergangenen Jahren vereinzelte Aktionen in Gefängnissen. Grundsätzlich ist die Beteiligung von Inhaftierten für uns ein großes Anliegen. Auch in diesem Jahr gab es einen Aufruf in allen Gefangenenzeitschriften mit der Bitte um Zuschriften. Daraufhin haben Inhaftierte Bilder und Briefe eingesandt, ein Inhaftierter hat einen selbstgeschriebenen Songtext geschickt. Es gibt beispielsweise eine Aktion mit Kunstpostkarten von Frauen aus dem offenen Vollzug in Berlin. Auf diese Weise werden die Inhaftierten eingebunden. Bei einer früheren Veranstaltung in Berlin durften auch Frauen aus dem offenen Vollzug persönlich teilnehmen. Das sind aber eher vereinzelte Kooperationen.

Wovon hängt es ab, ob Gefangene sich beteiligen können?

Bei den Aufrufen über die Gefangenenzeitschriften, die von den meisten Gefangenen gelesen werden, geht es ja eher um die schriftliche Beteiligung. Ansonsten hängt es von den Trägern ab, die im Vollzug aktiv sind, und davon, wie offen der Justizvollzug den Aktionstagen gegenübersteht und wie restriktiv dort gearbeitet wird. Bei den Gefangenen im offenen Vollzug ist es möglich, dass sie auch persönlich oder digital an den Aktionen teilnehmen, aber die Gefangenen im geschlossenen Vollzug haben nicht einmal flächendeckenden Zugang zu digitalen Medien.
Die Haftanstalten könnten beispielsweise die Auftaktveranstaltung, die dieses Jahr online stattfindet, für alle offen zugänglich machen, das wäre ja auch aus den Erfahrungen der Pandemie durchaus machbar, aber es findet leider nicht statt. Dabei ist das große Ziel der Aktionen ja gerade, diese Mauern abzubauen. Ein großer Teil der Gesellschaft hat einfach kein Interesse an den Menschen, die dort eingesperrt sind, und wenn man diese Mauern überwindet, dann hat das perspektivisch viele positive Folgen.

Das Programm der Aktionstage Gefängnis findet sich unter
aktionstage-­gefaengnis.de