Der liberale Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi im Portrait

Zu aufgeklärt für den Religionsunterricht

Abdel-Hakim Ourghi wartet seit eineinhalb Jahren auf die Erlaubnis für das, was er bereits seit zehn Jahren tut: angehende Lehrer für den islamischen Religionsunterricht in Baden-Württemberg ausbilden. Seit 2011 leitet er den Fachbereich Islamische Theologie/Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Doch seit Ende 2020 verlangt die Stiftung Sunnitischer Schulrat, die seit 2019 für die Organisation des islamischen Religionsunterrichts zuständig ist, eine Lehrbefugnis. Ourghi wird sie versagt, er habe nicht Islamtheologie und Religionspädagogik studiert. Auf viele seiner Kollegen in der Islamwissenschaft trifft das jedoch ebenfalls zu. Der 1968 in Oran im Westen Algeriens geborene Ourghi studierte dort Philosophie, bis 1991 der algerische Bürgerkrieg ausbrach. Er ging nach Freiburg und wurde 2006 an der Albert-Ludwigs-Universität mit einer Arbeit über den ibaditisch-algerischen Reformer Muhammad ibn Yusuf Atfaiyash promoviert. Er forscht zu Koranhermeneutik, Reform des Islam und Geschichte des frühen Islam.

Der Zeit sagte er, dass er der Stiftung schlicht zu liberal sei. Diese besteht aus zwei konservativen Islamverbänden, die nur etwa sieben Prozent der baden-württembergischen Moscheegemeinden repräsentieren. Immer wieder wird der islamische Religionspädagoge aufgrund seiner Bemühungen um eine Reform des Islam kritisiert. 2017 gründete er mit Seyran Ateş und anderen die liberale Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee; im selben Jahr schlug er Thesen an eine Tür – wenn auch nicht 95 wie einst Martin Luther und nicht an die Schlosskirche in Wittenberg, sondern an die Dar-as-Salam-Moschee in Berlin –, um Aufmerksamkeit für sein Buch »Reform des Islam. 40 Thesen« zu generieren. Ourghi verfolgt darin die im Mehrheitsislam unpopuläre These, dass die in Mekka verfassten Suren andere theologische Positionen enthalten als die aus Medina. Er will so die humanistischen Aspekte des Islams stärken. Der Jungle World sagte er: »Die Studierenden geben mir auch Feedback, dass sie anfangen, kritischer zu denken, und sich immer mehr trauen, Dogmen zu hinterfragen, ohne Angst.« (Jungle World 35/2021)