Warum für Sanja Iveković Kunst und Politik zusammengehören

Perlen für die Partisanin

Sie war die erste Künstlerin Jugoslawiens, die sich als Feministin bezeichnete: Sanja Iveković untersucht in ihren Collagen die Repräsentation von Frauen, Geschichte und Gewalt in den Massenmedien. Die Kunsthalle Wien zeigt in der Ausstellung »Works of Heart 1974–2022« Arbeiten aus allen Werkphasen der Künstlerin, für die Aktivismus und Kunst schon immer zusammengehörten.

Zagreb, 1979. Eine Frau sitzt in einem T-Shirt mit »America«-Aufdruck auf einem Balkon. Sie trinkt Whisky, raucht, liest ein Buch und scheint zu masturbieren. Auf der Straße unter ihrem Balkon rollt der Autokorso mit dem Wagen des jugoslawischen Präsidenten Josip Tito vorbei. Die junge Frau ist Sanja Iveković, die sich mit einer Performan­ce der behördlichen Anordnung ­widersetzte, während des Staatsbesuchs die Fenster geschlossen zu halten und sich von den Balkonen fernzuhalten. Ihre Aktion alarmiert einen Sicherheitsbeamten, der auf dem Dach des Gebäudes gegenüber postiert war. Kurz darauf klingelte ein Polizist an ihrer Tür und forderte sie auf, »Personen und Objekte vom Balkon zu entfernen«. Mit dem Polizeibesuch ist die Kunstaktion abgeschlossen, das Dreieck aus den gedachten Linien zwischen Dach, Straße und Balkon vollendet. »Dreieck« heißt die Performance von Sanja Ive­ković. Fotografien der Aktion wurden erstmals 1981 in der Galerija suvremene umjetnosti veröffentlicht und sind jetzt in einer großen Werkschau unter dem Titel »Sanja Iveković. Works of Heart (1974–2022)« in der Kunsthalle Wien zu sehen.

Die 1949 geborene Iveković gehört jener Generation von Künstlerinnen und Künstlern an, die sich im Jugoslawien nach den Revolten von 1968 einer »Neuen Kunstpraxis« (»Nova umjetnička praksa«) verschreiben, um mit Collagen, Performance und Medienkunst neue Wege zu beschreiten. Mittlerweile gehört die Pionierin der feministischen Kunst zu den bekanntesten Künstlerinnen der Gegenwart. Während der Documenta 12 wurde der Platz vor dem Fridericianum in Kassel 2007 zum Roten Platz gemacht: Auf dem Friedrichsplatz ließ sie rote Mohnblumen sprießen, dazu erklangen Revolutionslieder, gesungen vom Chor der Zagreber Frauengruppe Le Zbor. »Es ist an der Zeit, dass die Stimmen der Frauen gehört werden«, kommentierte Iveković ihre Arbeit.

Noch kein Abonnement?

Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::