Armen Ländern fehlt das nötige Kapital für Investitionen in erneuerbare Energien

Billions for Future

Nur die reichen Staaten können die Umstellung auf erneuerbare Energien in armen Ländern finanzieren. Darüber spricht man ungern, auch die Umweltbewegung kommt über das Schlagwort »Klimagerechtigkeit« selten hinaus.
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Es gibt gute Nachrichten in der Klimapolitik, wenn auch nicht aus Sharm al-Sheikh. Der Inflation Reduction Act wird es den USA nach Berechnungen unabhängiger Expert:innen ermöglichen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 oder sogar 50 Prozent im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Dafür sind in den kommenden zehn Jahren 370 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Es gibt einige Gründe zur Kritik, etwa die für die Subventionierung der Atomkraft vorgesehenen 30 Milliarden US-Dollar, und es bleibt fraglich, ob die Klimaneutralität ohne stärkere regulatorische Eingriffe erreicht werden kann. Doch handelt es sich um das mit Abstand ambitionierteste Projekt eines Industriestaats.

Der Beitrag der USA zum Klimaschutz in armen Ländern hingegen bleibt dürftig. Der Kongress gab im vergangenen Jahr für diesen Zweck nur eine Milliarde US-Dollar frei, doch auch die von Präsident Joe Biden beantragten 2,5 Milliarden US-Dollar wären absolut un­zureichend gewesen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass weltweit im nächsten Jahrzehnt Investitionen von vier Billionen US-Dollar pro Jahr in erneuerbare Energien nötig sind, um bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Die im Pariser Abkommen für diesen Zweck vorgesehenen 100 Milliarden US-Dollar jährlich sind also nur ein Bruchteil der notwendigen Investitionsmittel, aber selbst diese Summe ist bislang noch in keinem Jahr zusammengekommen.

Es geht um gewaltige Summen, doch UN-Generalsekretär António Guterres wies darauf hin, dass für die Bewältigung der ökonomischen Folgen der Covid-19-Pandemie 16 Billionen US-Dollar aufgebracht worden seien – von eben jenen entwickelten Staaten, die armen Ländern eine Schuldenreduzierung verweigerten. Zwar wurde bereits bei der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro ein Technologietransfer zugesagt, de facto aber müssten die armen Länder nun für sehr viel Geld bei den Hauptverursachern der Klimakatastrophe, den USA, der EU und China, die Technologien und Produkte einkaufen, die notwendig sind, um Klimaneutralität zu erreichen. Dafür aber fehlt ihnen das Kapital.

Deshalb kann, während nationale Klimaschutzprojekte immer auch Konjunkturprogramme für die einheimischen Unternehmen sind, der globale Klimaschutz nicht hinreichend profitabel sein – die Kundschaft ist schlicht nicht zahlungskräftig genug. Notwendig wäre also eine Exportsubventionierung aus staatlichen Mitteln, überdies verfügen nicht alle reichen Staaten über ausreichende Produktionskapazitäten – Deutschland beispielsweise hat es aus marktliberalem Dogmatismus versäumt, die einheimische Solarindustrie hinreichend zu fördern –, so dass auch für Käufe in anderen Ländern gezahlt werden müsste.

Dass die nationalstaatliche Konkurrenz wirksamen Klimaschutz verhindert, wird auf jedem UN-Gipfel aufs Neue deutlich. Das liegt nicht in erster Linie an bornierten Politiker:innen. Der Nationalismus ist, mag man ihn heutzutage auch lieber Patriotismus nennen, so tief in der Bevölkerung verankert, dass es derzeit kaum möglich wäre, parlamentarische Mehrheiten für globale Klimaschutzfinanzierung zu finden. Die nötigen Mittel könnten durch »Sondervermögen« oder höhere Reichen- und Unternehmens­steuern aufgebracht werden. Doch so gerne bei Protesten aufblasbare Erden herumgeschleppt werden – auch die Klimabewegung kommt über das Schlagwort »Klimagerechtigkeit« selten hinaus. Kosmopolitismus ist aber keine schöngeistige Pose mehr, die man einnehmen kann oder auch nicht, sondern die Voraussetzung für wirksame globale Klimapolitik.