Die Proteste im Iran und wie man sie von Deutschland aus unterstützen kann

»Es geht längst nicht mehr nur um den Hijab«

Die Proteste im Iran reißen nicht ab. Die Jungle World sprach mit Sima Behrangi über die dortige Lage und wie man die Proteste von Deutschland aus unterstützen kann. Behrangi ist Mitglied einer Solidaritätsgruppe, die in Deutschland Geld sammelt und an die Protestbewegung im Iran übermittelt, und möchte deshalb nicht mit ihrem echten Namen in der Zeitung stehen.
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Schon vor dem aktuellen Aufstand haben sich im Iran in den vergangenen Jahren soziale Proteste gehäuft. Was ist heute anders?

Die Proteste der vergangenen Jahre waren häufig regional und inhaltlich eingegrenzt und gingen jeweils nur von bestimmten Teilen der Bevölkerung aus. Seit 2018 gibt es verstärkt größere Streiks und Proteste, sowohl in Städten als auch auf dem Land. Die Proteste im November 2019, die als Reaktion auf eine Benzinpreiserhöhung ausgebrochen sind und in einem grausamen Massaker in Bandar-e Mahshahr endeten (Revolutionsgardisten töteten in der Industriestadt mindestens 40, wahrscheinlich etwa 150 Menschen, Anm. d. Red.), sind ein beeindruckendes Beispiel. Sie waren von der Arbei­ter:innenklasse getragen. Die Mittelschicht solidarisierte sich zwar, doch sie hatte augenscheinlich zu viel Angst und zu viel zu verlieren, um sich anzuschließen.

Und das hat sich verändert?

Mittlerweile ist die wirtschaftliche Krise endgültig bei der Mittelschicht angekommen. Sie versinkt in Armut. Auch wird der Widerstand gegen die Unterdrückung der Kurden und Kurdinnen immer stärker mit den Arbeitskämpfen verbunden, und spätestens seitdem die Losung »Frau, Leben, Freiheit« auf keinem der Proteste fehlt, ist klar, dass der feministische Kampf nicht mehr wegzudenken ist. Es geht längst nicht mehr nur um die Sittenpolizei und das Tragen des Hijab. Das gemeinsame und einzige Ziel der Proteste ist der Sturz der Islamischen Republik.

Wie können Menschen hierzulande die Protestbewegung im Iran unterstützen?

Wichtig bleibt die Teilnahme an Demonstrationen und eine kontinuierliche Berichterstattung. Außerdem sollte weiter Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden, damit die Sanktionen auf alle Angehörigen des Regimes erweitert und die Revolutionsgarden endlich als Terrororganisation eingestuft werden. Ebenso wichtig ist es, dass die Gewerkschaften und andere zivilgesellschaftliche Organisationen sich solidarisch zeigen, indem sie den Druck auf die politischen Verantwortlichen in Deutschland weiter erhöhen.

Wie sieht es mit direkter finanzieller Hilfe aus?

Das ist komplizierter, dabei ist auch das dringend nötig, gerade für die Streikenden. Zwar gibt es gewerkschaftliche Streikkassen im Iran, aber jegliche Art von finanzieller Unterstützung aus dem Ausland wird vom Regime verfolgt und kann verheerende Konsequenzen haben. Allein der Verdacht auf Finanzierung aus dem Ausland kann zu einer Anklage wegen Spionage und folglich zur Todesstrafe führen. Daher sind die Gewerkschafter:innen extrem vorsichtig und nehmen keine finanzielle Unterstützung an.

Allerdings sammeln Exiliraner:innen seit Generationen für ihre im Iran lebenden Liebsten Geld und geben es über persönliche Kontakte weiter. Wer die Proteste unterstützen will, sollte selbst sammeln und beispielsweise irgendwo eine Spendendose hinstellen – und dann mit linken, emanzipatorischen iranischen Gruppen in Kontakt treten.