Parlamentswahl in Nepal

Neue Parteien im Kommen

Aus den Parlamentswahlen in Nepal geht das bisherige Regierungs­bündnis unter Führung von Liberalen und Maoisten als Wahlsieger hervor. Doch die Erfolge neuer Parteien lassen aufmerken.

Zehn Regierungen in 14 Jahren: Seit Nepal sich 2008 von der Monarchie in eine Republik wandelte, haben die politischen Bündnisse des südasiatischen Lands schneller gewechselt, als man sich an sie gewöhnen konnte. Was blieb, waren uneingelöste Versprechen und die Hoffnung, dass es doch einmal einer Regierungskoalition gelingen würde, sich nicht bereits während der laufenden Legislaturperiode zu zerlegen.

Am 20. November war die Bevölkerung des zwischen Indien und China gelegenen Himalaya-Staats erneut zur Wahl aufgerufen. Von den knapp 18 Millionen Wahlberechtigten gaben 61 Prozent ihre Stimme ab. Siegerin der Parlamentswahlen ist die seit Juli vergangenen Jahres regierende Fünfparteien­koalition, die als Wahlbündnis angetreten war. Die ideologisch heterogene Allianz, in welcher der sozialliberale Nepali Congress (NC), der stärkste Einzelpartei wurde, und die Kommunistische Partei Nepals-Maoistisches Zentrum (CPN-MC) die wichtigsten Partner sind, verfehlte mit 136 Sitzen nur knapp die Mehrheit im 275 Sitze zählenden Repräsentantenhaus. Um eine Mehrheit für den amtierenden Premierminister und NC-Vorsitzenden Sher Bahadur Deuba zu organisieren, ist die Koalition daher gezwungen, mindestens eine weitere Partei aufzunehmen.

Zugleich hat der Erfolg neuer politischer Kräfte den etablierten Parteien insgesamt einen klaren Hinweis gegeben, sich spürbarer als bisher den Pro­blemen der Menschen im Land zuzuwenden. Der erneut starke Anstieg der Lebenshaltungskosten, vor allem infolge globaler Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine, trifft die vielen armen Menschen des Landes besonders hart – ­Nepal zählt zu einem der ärmsten Ländern weltweit.

Nach mehrwöchiger Auszählung der Stimmen steht nun fest, dass der NC mit 89 Mandaten die meisten auf sich vereinigen konnte. Im Vergleich zur vorigen Wahl vor fünf Jahren ist das ein Zugewinn von 26 Mandaten. Einbußen verzeichnete etwa die von Pushpa Kamal Dahal geführte CPN-MC. Seine Maoisten, die 1996 bis 2006 einen zehnjährigen Guerillakrieg gegen die damals bestehende Monarchie führten, kommen nur noch auf 32 Mandate. Das ist gegenüber den 53 Sitzen, die sie 2017 errangen, ein herber Verlust.

Von den Wahlkreisabsprachen innerhalb der Koalition hat die CPN-MC weitaus weniger profitiert als die ebenfalls dem Regierungsbündnis ange­hörige Kommunistische Partei Nepals-Vereinte Sozialisten (CPN-US), die mit nur 2,8 Prozent zwar knapp unter dem Mindestanteil für Listenmandate von drei Prozent blieb, also als Partei nicht ins Parlament einzog, aber zehn Direktmandate errang (die offiziell als parteiunabhängige eingestuft werden). Die im August 2021 gegründete CPN-US gilt zwar als neue Partei, ihre führenden Vertreter sind aber altbekannt. Vor allem der Parteivorsitzende, der ehemalige Premierminister Madhav Kumar Nepal, ist wie Deuba ein regelrechtes Fossil im Politikbetrieb. Aus seiner langjährigen Partei, der Kommunistischen Partei Nepals/Vereinigte Marxisten-Leninisten (CPN-UML), war er im Streit mit Parteichef Khadga Prasad Sharma Oli 2021 ausgeschlossen worden und hatte seine eigene kommunistische Partei mit 23 Gefolgsleuten im vorherigen Unterhaus (auf Nepalesisch: Pratinidhi Sabha) gegründet. Streitpunkt war damals die Unterstützung Deubas durch Nepal und seine Gefolgsleute.

Die wichtigste Oppositionspartei CPN-UML wiederum kann mit dem Wahlausgang ebenfalls zufrieden sein. Zwar hat sie an Mandaten allerhand eingebüßt, rangiert aber mit über 2,8 Millionen Wählern, die das Kreuz bei ihren Kandidaten setzten, sogar um über 100 000 Stimmen vor dem siegreichen NC. Mit den 78 Mandaten, für die es am Ende reichte, liegt die Partei als größte Oppositionskraft nicht weit hinter den Sozialliberalen vom NC, obwohl die linkssozialdemokratisch agierenden Marxisten-Leninisten ohne nennenswert große Bündnispartner angetreten waren, ihr Abschneiden ohne sogenannte Leihstimmen also als ganz eigenen Erfolg verkaufen können. Dass ihr dennoch 16 Sitze im Vergleich zu 2017 verlorengingen, liegt daran, dass die CPN-UML und die anderen linken Parteien damals in einer Allianz an­getreten waren und entsprechende Absprachen getroffen hatten. Gemeinsam errang man knapp eine Zweidrittelmehrheit. Das anfangs von großen Hoffnungen begleitete Projekt einer neuen linken Einheit scheiterte aber nach gut zwei Jahren im Dezember 2020 endgültig, als der damalige Premierminister Oli mit einer verfassungswidrigen Parlamentsauflösung vorfristige Neuwahlen erzwingen wollte.

Dass mit der erst wenige Monate alten Rastriya Swatantra Party (RSP) oder der Janamat Party neue politische Kräfte beachtliche Resultate einfuhren, dürfte den etablierten Parteien zu denken geben, schließlich wollen beide Parteien unter anderem die Korruption bekämpfen. Die RSP holte auf Anhieb knapp elf Prozent der Stimmen und 20 Mandate, die Janamat Party überwand knapp die Dreiprozentsperrklausel und errang sechs Mandate. Auch das Abschneiden der zuvor ein Nischendasein führenden royalistischen und hindunationalistischen Rastriya Prajatantra Party, die die Zahl ihrer Mandate von einem auf 14 steigern konnten, ist Ausdruck dessen, dass viele Wählerinnen und Wähler sich umorientieren.

Ob nach den Turbulenzen der jüngeren Zeit ungewohnte Stabilität einzieht, muss sich erst zeigen. Deubas neue Regierung dürfte die bei seinem Staatsbesuch in Neu-Delhi im April begonnene Wiederannäherung an In­dien fortführen. Unter Oli waren zuvor Spannungen mit dem südlichen Nachbarn in Grenzfragen eskaliert. Die ­Balance zwischen Indien und China zu halten, ist für Nepal wichtig, da ohne Unterstützung dieser Partner Wirtschaftsaufschwung und ein Ausbau der Energieversorgung kaum möglich sind.