Bald ist mit einer Anklage gegen die Nazi-Schlägergruppe Knockout 51 zu rechnen

Schläger vor Gericht

Die Nazi-Kampfsportgruppe Knockout 51, die im April Ziel einer bundesweiten Razzia war, war noch gewalttätiger als bisher bekannt. In Eisenach soll sie sogar einen Polizisten angegriffen und schwer verletzt haben. Seit April sitzen vier mutmaßliche Mitglieder in Untersuchungshaft, bald kommt es wohl zur Anklage.

Seit April sitzen sie schon, im November verlängerte der Bundesgerichtshof ihre Untersuchungshaft bis zum Fe­bru­ar 2023: Eric K., Leon R., Bastian A. und Maximilian A. Es bestehe nach wie vor eine hohe »Flucht- und Verdunkelungsgefahr«, heißt es in der Begründung. Die vier Neonazis waren im ­April bei einer bundesweiten Razzia fest­genommen geworden. Sie werden der Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung verdächtigt: der Eisenacher Kampfsportgruppe Knockout 51.

Den Ermittlungsbehörden zufolge handelt es sich dabei nicht um eine lose Gruppe, sondern um eine straff organisierte rechtsextreme Kaderschmiede mit strengen Regeln. Die Mitglieder mussten nicht nur Erfahrung mit Kampfsporttraining, sondern auch ein Minimalgewicht von 80 Kilogramm vorweisen. Nur wer sich über Monate hinweg beim Training und bei politischen Aktion bewiesen hatte, durfte die entsprechende Kleidung mit dem Schriftzug »Knockout 51« tragen.

Nach Ansicht der Generalbundesanwaltschaft ist Knockout 51 »eine rechtsextremistische Kampfsportgruppe, die unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer anlockt, diese bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniert und für Straßenkämpfe ausbildet«. Die Inhaftierten spielten nach Einschätzung des Generalbundesanwalts eine führende Rolle in der Gruppe, wobei besonders Leon R. ein Rädelsführer gewesen sein soll.

Mit der Verlängerung der Untersuchungshaft wurden auch neue Details zur Gruppe bekannt. So haben die Beschuldigten die Idee des rechtsextremen Straßenkampfs in den vergangenen Jahren offenbar sehr ernst genommen. Spätestens seit Frühjahr 2021 sollen die Mitglieder von Knockout 51 in Eisenach sogenannte »Kiezstreifen« durchgeführt haben, um politische Gegner:innen einzuschüchtern, zu bedrohen und anzugreifen. Dabei soll es mehrfach zu Körperverletzungen gekommen sein, bei denen sie andere Personen zum Teil schwer verletzten.

Eric K. soll im Februar 2022 sogar an einem Überfall auf einen 19jährigen Polizisten beteiligt gewesen sein. Das berichtete zuerst die Nachrichtenseite ­T-Online. Dem jungen Mann wurde außerhalb der Dienstzeit bei einer Party in Eisenach in einem Garagenhof gezielt aufgelauert. Der Anklage zufolge schlug Eric K. ihm mehrmals ins Gesicht und brach ihm den Kiefer, das Jochbein und die Augenhöhle. Als das Opfer versuchte zu fliehen, soll ihm zudem mit einem Messer gedroht worden sein. Dem Focus zufolge soll der Anführer Leon R. die Mitglieder von Knockout 51 angewiesen haben, stets ein Messer bei sich zu tragen.

R. wird im laufenden Verfahren gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch vorgeworfen. Er soll im Februar 2021 einen Überfall auf einen Treffpunkt von linken Jugendlichen in Eisenach initiiert haben. Seine Mutter soll sich über den Treffpunkt und seine Besucher:innen beschwert haben, daraufhin sei R. mit mehreren Mitgliedern von Knockout 51 losgezogen. Mindestens ein Betroffener des Überfalls erlitt Knochenbrüche und wurde bewusstlos geschlagen.

Immer wieder waren Mitglieder der Gruppe auch an Gewalttaten am Rande von »Querdenken«-Demonstrationen beteiligt, so zum Beispiel in Berlin, Kassel und Leipzig. Sie waren auch am 29. August 2020 in Berlin, als bei einem Großaufmarsch von »Querdenkern« versucht wurde, das Reichstagsgebäude zu stürmen. Vor der Demonstration hatten sich zahlreiche Reichsbürger und deren Unterstützer:innen vor der Russischen Botschaft in Berlin-Mitte versammelt. Unter ihnen waren auch Leon R. und andere Personen aus dem Umfeld von Knockout 51. Besonders sie sollen vorbeilaufende Polizist:innen brutal attackiert haben.

Am 7. November 2020 wurden bei einer »Querdenken«-Demonstration in Leipzig Polizeiketten durchbrochen. Mehrere Mitglieder von Knockout 51 führten den gewaltsamen Durchbruch vom Leipziger Augustusplatz auf den Stadtring gemeinsam mit anderen Neonazis an. Bastian A. soll dabei eine Glasflasche auf Polizist:innen geworfen haben. Auch linke Gegendemons­trant:innen sollen sie attackiert haben.

Die thüringische Stadt Eisenach gilt bundesweit als ein wichtiges Zentrum des organisierten Rechtsextremismus. Die Neonazis um Leon R. waren eng vernetzt mit den ­regionalen NPD-Strukturen um den Parteikader und Stadtrat Patrick Wieschke. Die örtliche NPD-Zentrale »Flieder Volkshaus« diente Knockout 51 unter anderem als Trainings- und Veranstaltungsort. Darüber hinaus sollen auch Kontakte zum NPD-Bundesvorstandsmitglied Thorsten Heise bestanden haben, der die NPD in Thüringen von 2017 bis 2018 leitete.

Allein im Jahr 2019 zählte das thüringische Innenministerium 73 rechts­extreme Veranstaltungen in der Region Eisenach. Überregional bestanden enge Kontakte nach Dortmund sowie in die rechtsextreme Kampfsport­szene, die sich bei Veranstaltungen wie »Kampf der Nibelungen« in Ostritz oder »Tiwaz« in Zwickau versammelte. Gemeinsam mit Stanley R., einem wichtigen Kopf der rechtsterroristischen Vereinigung Combat 18, der sich in ­Eisenach niedergelassen hat, nahm man an Schießübungen in Tschechien teil. Leon R. selbst war Betreiber der Gaststätte »Bull’s Eye« in Eisenach, die als wichtiger regionaler Neonazi-Treffpunkt galt.

Ebenjene Gaststätte und ihr Betreiber wurden 2019 angegriffen – der Staatsanwaltschaft zufolge soll dahinter die antifaschistische Aktionsgruppe um Lina E. gestanden haben. Im Antifa-Ost-Prozess gegen Lina E. und drei weitere Beschuldigte vor dem Oberlandesgericht in Dresden ist Leon R. deshalb einer der Nebenkläger und hat als Zeuge ausgesagt (Jungle World 16/2022). Gleichzeitig wird dem Neonazi in seinem ­eigenen Verfahren vorgeworfen, dass er mit der rechtsterroristischen Verei­nigung Atomwaffen Division (AWD) in Kontakt gestanden und unter anderem Propagandavideos für sie erstellt haben soll.

Laut Bundesanwaltschaft ist das Ziel der AWD »die Entfachung eines ›Rassenkriegs‹, aus dem die ›weiße Bevölkerung‹ siegreich hervorgehen soll. Durch Anschläge und Morde auf andere Bevölkerungsgruppen sowie Politiker, Amtsträger oder staatliche Einrichtungen sollen Chaos geschaffen und letztlich demokratische Grundordnungen durch rechtsextremistische Herrschaftsformen ersetzt werden.« In den USA haben Anhänger der AWD seit 2015 mindestens fünf Menschen ermordet und zahlreiche Anschläge verübt. Dass der Rechtsextremist Leon R., der wegen Terrorismusverdachts vor Gericht steht, wiederum in einem anderen Gerichtsprozess gegen Antifaschist:in­nen als Nebenkläger auftritt, dürfte ein Novum in der deutschen Rechtsgeschichte sein.

Im Zuge der Ermittlungen gegen Knockout 51 wurden Telefongespräche, verschlüsselte Chats und Autoinnenräume überwacht. Der dringende Tatverdacht wird laut Bundesanwaltschaft durch die Ergebnisse dieser Abhöraktionen und gesicherte Chatnachrichten untermauert. Zu Beginn des nächsten Jahres ist daher mit einer Anklageerhebung zu rechnen.