Horst Mahler steht mal wieder wegen Holocaustleugnung vor Gericht

Im Zeichen der Versöhnung

Der ehemalige Anwalt, Mitgründer der RAF und heutige Neonazi Horst Mahler muss sich wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung vor Gericht verantworten. Seine Biographie ist voller Wandlungen und Widersprüche, die auch in seinem Buch durchklingen, aus dem er vor Gericht ausgiebig zitiert.

Seit Ende November muss sich ein Dauergast in den deutschen Gerichtssälen vor dem Potsdamer Landesgericht verantworten. Horst Mahler ist abermals angeklagt wegen Volksver­hetzung und Leugnung des Holocaust. Nichts Neues für den 86jährigen: Aus den gleichen Gründen saß er bereits von 2009 bis 2020 mit Unterbrechungen in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel. Seit Ende der neun­ziger Jahre macht er mit Holocaustleugnung, antisemitischen und neonazis­tischen Äußerungen sowie dem Verwenden von Kennzeichen verfassungs­widriger Organisationen immer wieder auf sich aufmerksam.

Kaum eine politische Biographie ist derart von Wandlungen und Widersprüchen geprägt wie die von Horst Mahler. Als Kind von überzeugten ­Nazis trat Mahler in die FDJ ein, später dann als Student in die schlagende Burschenschaft Thuringia. 1956 wurde er SPD-Mitglied, was wiederum unvereinbar mit der Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung war, weswegen er aus dieser austrat. Aus der Partei wurde er wiederum 1961 aus­geschlossen, infolge des in diesem Jahr gefassten Unvereinbarkeitsbeschlusses gegen den Sozialistischen Deutschen Studentenbund, in dem Mahler ebenfalls aktiv war.

1970 war Mahler an der Gründung der RAF beteiligt und soll vor der Befreiung Andreas Baaders mit Hilfe des V-Manns Peter Urbach Waffen beschafft haben. Im Oktober 1970 wurde er wegen Bankraubs und Gefangenenbefreiung zu 14 Jahren Freiheitsstrafe ver­urteilt. Sein damaliger Rechtsbeistand, Otto Schily, brachte ihm die gesammelten Werke Hegels ins Gefängnis, was Mahlers Denken nach eigenen Angaben fortan maßgeblich prägte. In Haft distanzierte sich Mahler von seiner terroristischen Vergangenheit und konnte 1978 den damaligen Juso-Vorsitzenden Gerhard Schröder als Verteidiger für sich gewinnen. Dieser erwirkte 1980 die vorzeitige Haftentlassung und 1988 die Wiederzulassung Mahlers als Anwalt. In dieser Zeit sympathisierte er zunächst mit den Grünen, später der FDP – und am Ende des Jahrhunderts war er schließlich beim Rechtsextremismus angekommen.

Am 12. August 2000 trat Mahler der NPD bei, und vertrat diese bald auch als Anwalt in deren erstem Verbotsverfahren. Mahler wurde zum profilierten Verfasser rechtsextremer und antisemitischer Pamphlete. In den insgesamt sechs Anklagepunkten, um die es im derzei­tigen Prozess gegen ihn geht, sind elf Schriften aufgelistet, die Mahler zwischen 2013 und 2017 veröffentlicht haben soll. So habe er 2014 ein Buchmanuskript während seiner Haft geschrieben, das anschließend über eine weitere Person im Internet veröffentlicht wurde. Im Jahr 2016 habe Mahler ähnliche Hetzschriften per E-Mail unter anderem an den Zentralrat der Juden in Deutschland und an jüdische Gemeinden und Museen geschickt. Die Schriften seien von Mahler und seinen Unterstützern per E-Mail an bis zu 35 000 Adressaten versendet worden, so die Staatsanwältin.

Als seine sechshundertseitige Hetzschrift »Das Ende der Wanderschaft« zu Prozessbeginn vom Staatsanwalt ausführlich zitiert wurde, beschwerte sich Mahler, dass nicht der gesamte Text zitiert wurde, weil das ganze Buch Gegenstand der Anklage sei und nicht nur einzelne Zitate. In den darauffolgenden Prozesstagen war es dann Mahler selbst, der wiederholt aus dem Buch zitierte und die Thesen des Buchs lang und breit erklärte. In seinem Buch gehe es um die Offenlegung der »satanischen Verse des Mosaismus« und eine »Beendigung der Fremdherrschaft der Judenheit« über Europa und die USA, so Mahler vor Gericht. Regierungen und Gerichte würden von Antisemitismusbeauftragten und jüdischen Kapitalisten gesteuert. Der jüdische Gott Jahwe sei mit dem christlichen Satan identisch, die jüdische Religion fordere von ihren Anhängern die Versklavung und Vernichtung der Nichtjuden.

Mahler behauptete, in den vergangenen zehn Jahren ein neues Verständnis des Judentums erlangt zu haben. Er sei zu der Erkenntnis gelangt, dass der »satanische« Charakter aus der jüdischen Religion entspringe und nicht »rassischen« Ursprungs sei. Daher sei eine physische Vernichtung des Judentums nicht zielführend. Vielmehr handle es sich beim Judentum um eine Ideologie. Jahwe habe Gebote aufgestellt, welche die Juden zu einer »menschenfeindlichen« Lebensweise anleiteten: »Nicht die Gene, also die Rasse, machen Juden anders als die Völker. Es ist der Schrecken der rituellen Beschneidung kombiniert mit der sittlichen Prägung durch die ‚Satanischen Verse des Mosaismus’, der Menschen zu Juden macht.« Durch dieses »Ur-Trauma« erzeuge Jahwe ein »Ur-Misstrauen« und eine »neurotische Angst« bei seinen An­hängern. Männliche Juden würden zum »Satanismus« abgerichtet.

Jedoch erkennt Mahler gegenwärtig die Anzeichen einer Überwindung des Judentums – und zwar im kirchlichen Missbrauchsskandal. Dieser sei nämlich von den Juden zur Vernichtung der Kirchen inszeniert worden. Hier aber liege die Quelle eines dialektischen Umschlags: »Was sind einige tausend ­sexuelle Vergehen von Priestern an Ministranten und Chorknaben gegen die seelische Verstümmelung aller jüdischen Männer zum Zwecke ihrer Satanisierung. (…) Wer heute auf die Straße geht, um gegen die Kupierung der Schnäbel von Küken zwecks Anpassung an die Massentierhaltung zu protestieren, der wird morgen noch heftiger gegen die Vorhautamputation an jüdischen Säuglingen protestieren.«

Mahler versuchte den Eindruck zu erwecken, dass er keineswegs im Sinn habe, mit seinen Schriften Hass gegen Juden zu schüren. Sein Buch sei nicht volksverhetzend, sondern packe »das Judentum an der Wurzel«, in dem er »das Wirken der Juden in Vergangenheit und Gegenwart in Bezug zu ihren heiligen Schriften« analysiere, wie er behauptete. Dabei ginge es in seinem Buch nicht um die »körperliche Auslöschung des Auserwählten Volkes«, sondern um die »Überwindung seines mörderischen Geistes« und damit um die Ermöglichung einer Aussöhnung der Völker der Welt. Der deutsche Ide­alismus helfe ihm beim Verständnis. Für Menschen ohne Fachkenntnisse aus der Philosophie seien solche Gedanken unzugänglich. Aus diesem Grund forderte Mahler vom Gericht sogar einen entsprechenden Sachverständigen hinzuzuziehen. Mahler, der seine Hetzschriften für hohe Philosophie hält, war offenbar der Ansicht, dass das Gericht ansonsten die Gedanken des Buches nicht verstehen und somit gar darüber urteilen könne. Dass er sich dabei auf Hegel und gelegentlich sogar Marx bezieht, verweist auf seine widersprüchliche Biographie, vom linken Achtundsechziger zum glühenden Nazi, die vielleicht mehr miteinander gemeinsam hatten, als es einem lieb sein kann.