Rechtsextreme sind auf die Duldung von Konservativen angewiesen

Angriff der Gesetzlosen

In Brasilia haben Anhänger des angewählten Präsidenten Jair Bolsonaro jetzt auch das Parlamentsgebäude gestürmt. Aber wo sind eigentlich die Konservativen, wenn man sie mal braucht?
Was kümmert mich der Dax Von

Es gab einmal eine Zeit, da stand Konservatismus für Seriosität, Anstand und Gesetzestreue, auch wenn es unbequem ist. Das bedeutet nicht, dass alle Konservativen diese Tugenden pflegten. Richard ­Nixon, Präsident der USA von 1969 bis 1974, tat es nicht, doch immerhin war er noch zivilisiert genug, seine rassistischen und antisemitischen Tiraden nicht in aller Öffentlichkeit hinauszuposaunen; er offenbarte sich nur seinen Mitarbeitern. Auch das Vergehen, das ihn sein Amt kostete – ein Einbruch bei den Demokraten, der ihm Vorteile im Wahlkampf verschaffen sollte – erscheint heutzutage fast harmlos. Vor 50 Jahren, am 8. Januar 1973, begann der Prozess gegen die Einbrecher. Der wegen seiner harten Urteile als »Maximum John« bekannte Richter John Sirica drohte den Angeklagten hohe Haftstrafen an, sollten sie ihre Auftraggeber nicht nennen. Die Drohung wirkte, die Ermittlungen schritten voran, und als die Beweise nicht mehr zu leugnen waren, teilten am 7. August 1974 drei Repräsentanten der republikanischen Parteiführung Nixon mit, dass sie ihn nicht länger unterstützen würden. Am folgenden Tag trat er zurück.

Das Konzept der »alternativen Fakten« war damals auch unter Rechten nicht gebräuchlich. Nunmehr aber halten zahlreiche US-Republikaner:innen an der dreisten Lüge fest, Joe Biden habe seine Präsidentschaft einem Wahlbetrug zu verdanken. Der abgewählte brasilianische Präsident Jair Bolsonaro bedient sich der gleichen Methode, jüngst ahmten seine An­hän­ger:innen auch den Sturm auf das US-Kapitol nach. Sie wollen die Demokratie schwach erscheinen lassen, und das gelingt ihnen auch.

Linke und Liberale stehen vor einem Dilemma. Ein paar Salven in die Menge hätten in beiden Fällen wohl genügt, um den Angriff abzuwehren; im Nachhinein könnten hohe Haftstrafen eine abschreckende Wirkung entfalten. Aber so etwas möchte man ja eigentlich nicht. Jene hingegen, die sonst für hartes Durchgreifen plädieren, finden Rechtfertigungen oder Ausreden für die Gewalttäter:innen.

Wo sind die Konservativen, wenn man sie mal braucht? Die Republikanische Partei hat bei den ­midterm elections nicht den erhofften Erfolg gehabt, aber die abschreckende Wirkung rechtsextremer Kandidaten hielt sich in Grenzen. Die Mehrheit passt sich offenbar den neuen Verhältnissen an, viele wohl zögernd und einige mit schlechtem Gewissen, aber ein Einsatz für die Demokratie ist von ihnen nicht mehr zu erwarten. Das Beispiel Brasiliens zeigt zudem, dass die Polarisierung durch ein Zweiparteiensystem keine Voraussetzung für die Hinwendung zur extremen Rechten ist. So gefährlich diese Entwicklung ist, zeigt sie doch auch eine Schwäche der Rechten, denn wer einen Wahlbetrug schon vor dem Tag der Abstimmung herbeilügt – wie es Trump und Bolsonaro taten –, offenbart damit mangelndes Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Wahlen zu gewinnen. Der Sturm auf die Parlamentsgebäude demons­triert den unbedingten Willen zur Macht ungeachtet der Mehrheitsverhältnisse.