Über Gu Byeong-mos "Frau mit ­Messer"

Mörderische Arbeit

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Die Metropassagen Seouls sind in Gu Byeong-mos Roman »Frau mit Messer« (»Pagwa«, 2013) ein von Nagelstudios durchzogenes Höllenreich. Es riecht nach Knoblauch und Alkohol. Körper schieben sich in die Züge. Junge Leute beugen sich über ihr Handy. Fügsam begibt sich eine Frau mit schlohweißem Haar in den für Senioren reservierten Teil des Wagens. Hornclaw ist eine drahtige Gestalt, geht auf die 70 zu, hat aber das Gesicht einer 80jährigen. Sie ist fasziniert von den Bildchen der ­Nageldesignerinnen, glaubt jedoch, dass sie für diese Mode zu alt ist. Für ihren Job als Auftragskiller in einer Agentur für »Schädlingsbekämpfung« fühlt sie sich auch nach 40 Dienstjahren fit genug. Zudem hat sie nach dem Tod ihres Partners nichts anderes zu tun. Aber dann macht sie bei der Liquidierung eines 54jährigen Mannes einen Fehler und muss sich nach getaner Arbeit mit Verletzungen ins Krankenhaus begeben. Ändert die Erfahrung der eigenen physischen Verwundbarkeit die Sicht auf das Töten?

Spätestens mit Luke Jennings’ Romanen über die Auftragsmörderin Oxana Vorontsova a. k. a. Villanelle (auf denen die Erfolgsserie »Killing Eve« basiert) hat der weibliche Profikiller das männlich dominierte Geschäftsfeld erobert. Die südkoreanische Autorin Gu ­Byeong-mo hat dem Figurenrepertoire des Genres einen weiteren, noch dazu unwahrscheinlichen Charakter hinzugefügt: einen Profikiller, der weiblich, alleinstehend und alt ist. Wie die Rollenvorbilder des Genres ist Hornclaw im Alltag eine höfliche Person, die unauffällig ihren Dienst verrichtet. Gleichnishaft erzählt Gu vom Druck der neuen Ökonomie aus der Perspektive einer moralisch zwiespältigen, aber nie unsympathischen Figur, die mit fortschreitendem Alter verletzlich geworden ist. Warum allerdings die aus der englischen Übersetzung (»The Old Woman With the Knife«, 2022) erstellte deutsche Fassung den rudimentären Titel »Frau mit Messer« trägt, darüber kann man nur speku­lieren.

Gu Byeong-mo: Frau mit ­Messer. Aus dem Englischen von Wibke Kuhn. Ullstein, Berlin 2022, 288 Seiten, 22,99 Euro