Deutsche Linke verbreiten ­Propaganda für Putin

Eine Friedensbrücke nach Moskau

Teile der sich als links verstehenden Friedensbewegung sympathisieren mit dem Putin-Regime. Ein Beispiel ist der Verein Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe.

Nach fast einem Jahr Krieg sind die Klischees der russischen Kriegspropaganda wohl weithin bekannt: Die ukrainische Regierung sei eine illegitime Nato-Marionette, sie bestehe aus Faschisten, die einen Vernichtungskrieg gegen die russischsprachige Bevölkerung im Donbass führten – und Russland habe keine andere Wahl gehabt, als diesen »Völkermord« militärisch zu verhindern. Wer sich in den vergangenen Jahren mit Teilen der deutschen Friedensbewegung beschäftigt hat, wird diese Motive allerdings schon länger kennen. »Von diesem Krieg wird bei uns erzählt, als würde er von Moskau betrieben«, sagte etwa die Vorsitzende des Vereins Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe e. V., Liane Kilinc, schon 2021 in einer Rede, die vom verschwörungsraunenden Portal Rubikon veröffentlicht wurde. »Dabei war es die illegal an die Macht gekommene Regierung in der Ukraine, die begann, ihre eigenen Bürger zu beschießen.«

Die Behauptungen, mit denen Russland seinen Krieg rechtfertigt, sind nicht neu – schließlich begann auch der Krieg in der Ostukraine schon 2014. Fast ebenso lange leistet Kilinc mit ihrem Verein eigenen Angaben zufolge humanitäre Hilfe. Sie liefert Essen und Hilfs­güter in die inzwischen von Russland völkerrechtswidrig annektierten »Volksrepubliken« im Osten der Ukraine.

Doch damit ist auch eine klare politische Position verbunden. Am 9. Mai 2022 hatte Kilinc gemeinsam mit dem russischen Botschafter einen Kranz vor der Berliner Gedenkstätte im Treptower Park niedergelegt. Anschließend wurde sie festgenommen, weil sie eine Fahne der selbsternannten Volksrepublik Donezk entrollte. Kilinc soll auch Verbindungen zur Putin-treuen Aktivistin Elena Kolbasnikowa unterhalten. Die beiden sollen sich The Insider zufolge im Oktober 2022 im Donbass getroffen haben. Kolbasnikowa veranstaltete in Köln gemeinsam mit ihrem Ehemann – einem ehemaligen russischen Luftwaffenoffizier – Kundgebungen zur Unterstützung des Putin-Regimes.

Die Nachrichtenagentur Reuters und die Nachrichtenseite The Insider veröffentlichten kürzlich Recherchen, denen zufolge die Eheleute auch Anschluss an rechtsextreme Milieus suchen. Demzufolge kooperiert Kolbasnikowa mit dem rechtsextremen Politiker Markus Beisicht. Sie und ihr Mann nahmen außerdem an einer Konferenz des verschwörungstheoretischen Magazins Compact teil. Derartige Allianzen sind kein Novum – insbesondere der Antiamerikanismus eint die Befürworter des russischen Angriffskriegs mit Europas Rechtsextremen, die Wladimir Putins Russland zum Gegenmodell zum westlichen Liberalismus stilisiert haben.

Erklärungsbedürftiger scheint da die Rolle von Kilinc. Sie war langjähriges Mitglied der Linkspartei, ist heutzutage im DKP-Umfeld zu Hause und hat sich eigenen Angabe zufolge bei der Tafel und für Barrierefreiheit engagiert. Ihr Fall gibt Einblick in die Putin-Sympathien eines Teils der antiimperialistischen deutschen Linken.

Mit Spendengeldern hat die Friedensbrücke eigenen Angaben zufolge in den vergangenen acht Jahren 47 Transporte von Hilfsgütern in den Donbass finanziert. Dass eines der dortigen Partnerprojekte einen der Transport-LKW mit Z-Symbolen dekorierte, hat für die Friedensbrücke aber offenbar Konsequenzen gehabt. Im September hatte die Polizei Ermittlungen wegen der Billigung von Straftaten aufgenommen. Ihrem Verein sei die Gemeinnützigkeit aberkannt worden, sagte Kilinc am 29. Dezember in einem Interview mit dem russischen Staatssender RT DE (früher Russia Today). Sie wolle vorerst in Russland bleiben, denn »in Deutschland wäre ich handlungsunfähig«.

Kilinc zufolge ist die ukrainische Regierung illegitim und von »Faschisten durchsetzt«. Allein die Regierung in Kiew und der Westen stünden einer Friedenslösung im Wege. Die russische Invasion sei ein Verteidigungsakt. Und im Donbass würden »Nazi-Bataillone« seit acht Jahren Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung verüben.

Die zivilen Opfer im Donbass seit 2014 sind ein zentrales Element der russischen Kriegspropaganda. Sie sollen Russlands Angriffskrieg rechtfer­tigen. Als im April 2022 eine russische Rakete den Bahnhof von Kramatorsk traf und 39 Zivilisten tötete – darunter viele Kinder –, war auf der Rakete die Inschrift »Für die Kinder« zu lesen – vermutlich eine Anspielung auf die Opfer der ukrainischen Armee im Donbass, die gerächt werden ­sollten.

Solche Opfer gab es wirklich – ebenso wie zivile Opfer der von Russland unterstützten Separatisten. In der russischen Kriegspropaganda heißt es oft, die Ukraine habe im Donbass 14 000 Menschen umgebracht. Diese Zahl stammt von der Uno, sie bezieht sich aber auf die Gesamtzahl aller Toten auf beiden Seiten vom April 2014 bis Ende 2021 (die genaue Angabe lautet 14 200 bis 14 400). Die meisten dieser Opfer waren Soldaten; die Zahl der zivilen Opfer schätzte die Uno auf 3 404. Von diesen entfiel die Mehrzahl auf das von den Separatisten kontrollierte Gebiet; ein Grund dafür könnte sein, dass dort die Großstadt Donezk direkt an der Front liegt.

Die Verantwortung Russlands für dieses massenhafte Sterben – 2014 hat das Putin-Regime die Unruhen im Donbass angeheizt und durch eine verdeckte Militärintervention zum Krieg ausgeweitet – blenden Aktivisten wie Kilinc aus. In den letzten Jahren vor 2022 war die Zahl der zivilen Todesopfer außerdem stark rückläufig gewesen, die meisten Toten entfielen auf die ersten beiden Kriegsjahre 2014 und 2015. Nach der russischen Invasion am 24. Februar 2022 sind die Zahlen erwartungsgemäß ins Schwindelerregende gestiegen. Seitdem hat die Uno über 7 000 zivile Todesopfer gezählt – die Dunkelziffer dürfte aber noch weit höher sein. Die meisten zivilen Opfer gibt es im Donbass, wo die russische Armee ganze Städte dem Erd­boden gleichmacht.

In ihren zahlreichen öffentlichen Äußerungen wiederholt Kilinc zentrale Motive der Kreml-Propaganda, allerdings mit einem linken Anstrich und einem kruden Antikapitalismus. Damit findet Kilinc nicht nur bei der DKP Anschluss. Ihre Texte oder Interviews erscheinen bei so gut wie allen der sich selbst als links und friedensbewegt verstehenden »Alternativmedien«: auf den Nachdenkseiten, Rubikon und dem KenFM-Nachfolger Apolut. Bei einer Protestveranstaltung der DKP gegen die Stilllegung der deutsch-russischen Druschba-Öl-Pipeline in Schwedt hielt Kilinc beispielsweise eine Rede, die bei Rubikon abgedruckt wurde. Darin warf sie der Bundesregierung vor, ein Vasall der USA zu sein und dem eigenen Volk zu schaden. Den skrupellos-ausbeuterischen USA und seinen europäischen »US-Vasallenstaaten« stellt Kilinc dabei ausgerechnet China und Russland entgegen. Die beiden Staaten stünden für ein Modell internationaler Kooperation, das auf »Respekt und Gleichberechtigung« basiert.