Erinnerung an zwei von Nazis ermordete Antifaschisten

Gedämpftes Gedenken

Am 19. Januar versammelten sich Antifaschisten und Linke in Moskau zum Todestag von Stanislaw Markelow und Anastasia Baburowa, die 2009 von Nazis ermordet wurden. Weil eine Demonstration aufgrund des Krieges verboten war, legten knapp 200 Menschen unter den Blicken der Polizei Blumen nieder.

Die politische Schizophrenie, die das Straßenbild Russlands prägt, war noch spürbarer als sonst, als die Staatsmacht am Abend des 19. Januars in Moskau aufmarschierte. Nahe der Kropotkin-Metrostation, bei einer riesigen Engels-Statue, und unter den Augen der von Propagandaplakaten herunterblickenden Soldaten, mit denen sie für ihren Einsatz in Putins „Denazifizierungs“-Krieg in der Ukraine geehrt werden, standen Polizeiwannen, um die hundert Einsatzkräfte und die Anti-Extremismus-Abteilung der Polizei bereit. Der Grund: Die jährliche Gedenkveranstaltung für zwei Linke die 2009 an diesem Tag hier von Nazis erschossen wurden.

Stanislaw Markelow und Anastasia Baburowa, wurden 34, beziehungsweise 25 Jahre alt. Er war Sozialist, sie Anarchistin, beide standen der russischen Antifa nahe. Als Anwalt hatte Markelow unter anderem linke Aktivisten und bekannte Journalisten wie die 2006 in Moskau ermordete Journalistin Anna Politkowskaja verteidigt. Baburowa war, wie Politkowskaja, Journalistin bei der Zeitung Nowaja Gaseta, deren Redaktion mittlerweile Russland verlassen musste.

Ihre Mörder gehörten zur Kampforganisation russischer Nationalisten (Born), und hatten Verbindungen zur Präsidialadministration und den Geheimdiensten. Der 19. Januar ist für russische Linke ein wichtiges Datum geworden. In früheren Jahren gab es in Moskau stets eine Demonstration unter der Parole „Erinnern, heißt Kämpfen“, oft mit hunderten Teilnehmern. Doch in diesem Jahr war die Stimmung gedrückt. Im Zuge der verschärften staatlichen Repression in Folge des Angriffs auf die Ukraine waren Transparente und Parolen untersagt. Teilnehmende versammelten sich still und legten am Todesort von Markelow und Baburowa Blumen nieder.

„Es kamen diesmal deutlich weniger Leute, vielleicht so 200“, erklärt ein Mann um die 60 enttäuscht nach der Veranstaltung, „viele haben das Land verlassen“. Auf die Frage, wie Markelow und Baburowa sich heute verhalten hätten, antwortet der Mann, der die beiden persönlich kannte, mit einem niedergeschlagenen Lächeln. „Diese Frage habe ich in den vergangenen Tagen schon mehrmals gehört. Nastja hätte sicher in irgendeinem wichtigen Medienprojekt mitgewirkt, und wäre deshalb womöglich praktisch gezwungen gewesen, ins Exil zu gehen. Stas wäre wohl hiergeblieben, allein, weil er hier gebraucht worden wäre. Uns fehlen gerade jetzt gute Juristen, solche wie er.”

Spätabends sind die Straßen leer. Die Portraits der beiden Ermordeten, die am Mordplatz aufgestellt worden waren, sind abgeräumt, zurück bleibt nur ein Haufen Blumen. Eine junge Frau tritt näher, legt eine einzige rote Nelke nieder, verharrt einen Moment im Nieselregen, und läuft dann rasch davon. Auf dem Weg zur Kropotkin-Station passiert sie eine grell erleuchtete Reklame mit der Aufschrift „Ehre den Helden Russlands“. Das Portrait unter dem Text zeigt einen russischen Luftwaffenoffizier, der in der Ukraine dient.