Der indische Milliardär ­Gautam Adani im Porträt

Indiens Rockefeller

Porträt Von

Vor wenigen Wochen war der indische Selfmade-Industrielle Gautam Adani sehr reich. Mit einem geschätzten Privatvermögen von 120 Milliarden Dollar war er reicher als Warren Buffett, überholte 2022 kurzzeitig den Amazon-Astronauten Jeff Bezos als zweitreichster Mensch der Welt. Ende Januar beschuldigte ihn das US-amerikanische Shortseller-Unternehmen Hindenburg Research, das gegen Adanis Unternehmen gewettet hatte und von deren Wertverlust profitieren würde, »den größten Betrug der Wirtschaftsgeschichte« begangen zu haben. Die Unternehmensgruppe soll über Jahrzehnte hinweg Aktienkursmanipulationen und Bilanzfälschungen vorgenommen haben, Familienmitglieder Adanis sollen in größere Bestechungs- und Steuerhinterziehungsfälle verwickelt sein. Adanis Firmen haben seither 110 Milliarden Dollar an Wert verloren, die Aktienkurse sind um fast 55 Prozent eingebrochen, da sich Investoren zurückziehen. Sein eigenes Vermögen hat sich halbiert, Adani ist nur noch siebtreichster Mann der Welt.

Der 60jährige Tycoon aus Gujarat begann in den achtziger Jahren als Rohstoffhändler, bevor er 1988 sein Unternehmen Adani Group gründete und es zu ­einem privaten Infrastrukturimperium ausbaute, das Häfen, Flughäfen und Kohle­minen in Indien und weltweit betreibt. Dieser Erfolg hat ihm Vergleiche mit John D. Rockefeller eingebracht, der im 19. Jahrhundert ein riesiges Monopol schuf; wurde aber auch mit lukrativen Regierungskonzessionen in Verbindung ­gebracht. Er gilt als enger Verbündeter von Indiens Premierminister Narendra Modi und war ein Befürworter von dessen Plänen für ein »eigenständiges ­Indien«. Ihre Beziehungen reichen bis in die Zeit zurück, als Modi Ministerpräsident des Bundesstaats Gujarat war und Adani Land zu günstigen Preisen erhielt. Die Adani-Gruppe verurteilt die Vorwürfe als »unbegründet« und »böswillig«, konnte sie bisher aber nicht entkräften und beschuldigt Hindenburg ­Research, »einen kalkulierten Angriff auf Indien« zu starten. Die Investmentfirma sei nur an ihrem eigenen finanziellen Gewinn interessiert.