Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Les Bajols wurden zu sehr milden Strafen verurteilt

Rentner mit Keramikklinge

Die rechtsextreme Gruppe Les Barjols soll Anschläge geplant haben, unter anderem auf Präsident Emmanuel Macron. Am Freitag ging das Verfahren gegen sie zu Ende, nur vier Mitglieder wurden für schuldig befunden.

Vier Verurteilungen und neun Freisprüche: Das Urteil gegen Mitglieder der bewaffneten rechtsextremen Gruppe Les Barjols, die ihren Namen 2017 unter Anspielung auf eine damals in Mali stationierte französische Armeeeinheit der Fremdenlegion wählte, ist eine Niederlage für die Staatsanwaltschaft. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, Anschläge auf Moscheen und Synagogen sowie Präsident Emmanuel Macron geplant zu haben.

Die insgesamt 13 Mitglieder der Gruppe hatten seit dem 17. Januar vor Gericht gestanden, das Urteil wurde am Freitag vergangener Woche bekanntgegeben; es ist noch nicht rechtskräftig. Drei Angeklagte wurden der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig befunden, ein weiterer wurde wegen illegalen Waffenbesitzes und -verkaufs verurteilt. Die Verurteilten erhielten zwischen sechs Monaten und vier Jahren. Weil die Strafen für die meisten Tatbestände zur Bewährung ausgesetzt sind, wird wegen der bereits abgesessenen Untersuchungshaft wohl kein einziger der Angeklagten in Haft gehen oder dorthin zurückkehren.

Von dem 66jährigen früheren Mechaniker Jean-Pierre Bouyer stammte die Idee, Macron mit einem Keramikdolch anzugreifen, weil dieser von Metalldetektoren nicht erkannt werde.

In den Augen der Richter ließ sich kein konkreter Plan nachweisen, die angekündigten Taten zu begehen. Dem Gericht zufolge hätten die Angeklagten zwar erwiesenermaßen »Vorbereitungshandlungen« für Terrorstraftaten vollzogen, doch nicht mit ihrer Tat begonnen.

Auch die Vertreterin der auf Terrorismusstraftaten spezialisierten Sonderstaatsanwaltschaft PNAT (Parquet nati­onal antiterroriste) hatte am 2. Februar – dem vorletzten Prozesstag – relativ ­defensiv argumentiert. Viele Anschlagspläne der Ende 2018 ausgehobenen Gruppierung seien »nicht sehr weit ausgearbeitet oder gediehen« gewesen. Doch »würde man sich, handelte es sich etwa um Islamisten, zu fragen wagen, ob genügend Elemente vorliegen, um das Treiben als Terrorismus zu kennzeichnen? Hätte man die Angeklagten etwa nicht festnehmen sollen?«

Angesichts des milden Urteils sprach die konservative Tageszeitung Le Figaro von »kleinen Strafen für große Phantasten«. Faktisch zugute hielt die Justiz dabei den Angeklagten ihre mangelnde Diskretion. Bei Grillabenden, an denen mehr oder minder reichlich Alkohol floss, ließen manche von ihnen sich offen über ihren Hass auf »korrupte Politiker«, Reiche – jedenfalls solche, die es unverdient seien –, Juden, Freimaurer, Muslime und Präsident Emmanuel Macron aus – unter Letzterem sei eine Diktatur errichtet worden, man dürfe gar nichts mehr frei sagen –, um dann in Gewaltphantasien zu verfallen.

Doch die Mitglieder der Gruppe hatten nicht nur am Lagerfeuer geschwätzt, sondern auch verschlüsselte Chat-Gruppen eingerichtet, sich Waffen beschafft, Survivaltrainings veranstaltet und in einer geschlossenen Fabrik in Nizza für den Bürgerkrieg geübt. Fotos von Wehrsportübungen an Wochenenden, in ostfranzösischen Wäldern aufgenommen, wurden freimütig auf sozialen Medien geteilt. Eine Facebook-­Seite der Gruppe hatte zuletzt, vor der Festnahme ihrer führenden Mitglieder, knapp 5 000 Abonnenten.

Der polizeiliche Zugriff erfolgte kurz vor einem Besuch Macrons in den nordostfranzösischen Ardennen zum jährlichen Feiertag im Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs, am 11. November 2018. Mitglieder der Barjols machten sich damals auf den Weg in die Gegend, die Macron zu besuchen beabsichtigte. Abgehörte Telefongespräch sollen den Behörden zufolge Grund zur Annahme gegeben haben, dass sie zu dem Termin ein Attentat planten.

Der Chef der Gruppe, Denis Collinet, war ein enttäuschtes früheres Mitglied des Front national (FN), dem heutigen Rassemblement national (RN). Nach der Niederlage von dessen Vorsitzender Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2017 will er die Einsicht gewonnen haben: »Politik ist scheiße, das Volk muss selbst aktiv werden.« Collinet wurde im Prozess freigesprochen.

Als gefährlichstes Mitglied der Truppe, zu der sowohl ehemalige Parteikader als auch gescheiterte Existenzen gehörten, gilt der 66jährige frühere Mechaniker Jean-Pierre Bouyer – ihr zweiter führender Kopf neben Collinet. Er hatte 2017 sich für den Präsidentschaftswahlkampf von Nicolas Dupont-Aignan, dem Gründer der zwischen Konservativen und FN beziehungsweise RN ange­siedelten Kleinpartei Debout la France (Frankreich, steh auf, DLF), engagiert.

Bouyer erhielt eine vierjährige Haftstrafe, davon ist ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung und seines ­Autos fanden die Ermittler unter anderem einen Dolch, Feuerwaffen sowie eine schusssichere Weste. Von ihm stammte die Idee, man könne Präsident Macron mit einer Stichwaffe angreifen, deren Klinge aus Keramik besteht, weil diese von Metalldetektoren nicht erkannt werde.

Seine Verteidigerin war Olivia Ronen. Die junge Anwältin hatte sich in den vergangenen beiden Jahren als Strafverteidigerin des zu lebenslanger Haft verurteilten Jihadisten Salah Abdeslam einen Namen gemacht. Im Prozess gegen die mutmaßlichen Terroristen von Les Barjols plädierte sie dafür, das Gericht müsse anerkennen, dass die Vorwürfe konstruiert seien. Bouyer sei beileibe kein Terrorist und auch kein Rechtsextremer, sondern lediglich ein aus sozioökonomischen Gründen Wütender, oder – wie sie es ausdrückte – »eine Gelbweste«. Man müsse, fügte die Verteidigerin hinzu, seinen Zorn im Kontext des Jahres 2017 und der Gelbwestenproteste sehen.

Dabei gibt es nur mindestens einen Schönheitsfehler im Bild: Im Jahr 2017 gab es überhaupt keine Gelbwesten, es sei denn als Kleidungsstück. Die ersten Proteste auf Straßen, Kreuzungen und Verkehrskreiseln, bei denen die Gelbwestenbewegung in Erscheinung trat, fanden am 17. November 2018 statt – also nach dem Auffliegen der Barjols durch die Festnahmen am 6. November jenes Jahres. Collinet, der nach einem eintägigen Polizeigewahrsam zunächst auf freien Fuß kam, und der in Untersuchungshaft sitzende Bouyer hatten allerdings tatsächlich geplant, an diesen Aktionen teilzunehmen.

Zwar war zu den damaligen Protesten wenige Wochen zuvor aufgerufen worden, jedenfalls gab es Appelle, gegen die seinerzeit geplante Kraftstoffsteuererhöhung zu agieren. Doch setzte sich die Idee, die gelben Warnwesten als Erkennungsmerkmal der Protestierenden zu benutzen, erst in den letzten Tagen vor dem Ausbruch der Proteste durch. Dass zum Zeitpunkt der Festnahme der Barjols-Mitglieder jemand bereits einem regelrechten Gelbwestenmilieu angehört und sich darüber politisiert haben könnte, kann deshalb ausgeschlossen werden.