Die ­Bahamad-Konferenz zur Unterstützung der iranischen Opposition

Zusammen zur Revolution

Bei der Konferenz »Frauen, Leben, Freiheit« trafen sich am Wochenende in Berlin Unterstützer:innen der iranischen Opposition. Das Ziel war es, verschiedene politische Strömungen aus der iranischen Diaspora zusammenzubringen.

Die grauen Nachkriegsbauten der Freien Universität Berlin, die 1948 im US-amerikanischen Sektor errichtet wurden, sollten in ihrer Nüchternheit mal die Befreiung von der pompösen Diktatur verkörpern. Am Wochenende sahen sie im Schneeregen eher trostlos aus. Mehr als 100 Menschen hatten sich in einem dieser Gebäude versammelt, um an drei aufeinanderfolgenden Tagen über die iranische Revolution zu sprechen. Zur Konferenz mit dem Slogan »Frauen, Leben, Freiheit« hatte die Gruppe Bahamad geladen; sie verfolgt das Ziel, eine Koalition verschiedener Oppositionsgruppen aus der iranischen Diaspora aufzubauen.

Der Veranstaltungsort war erst kurz vorher bekannt gegeben worden. Der lange Arm des iranischen Geheimdienstes reicht bis nach Deutschland, deshalb müssen Oppositionelle auch hierzulande Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei antwortete die Bundesregierung kürzlich, dass bei »160 Personen mit Bezügen zu Deutschland Hinweise auf Verbindungen zu den iranischen Revolutionsgarden (IRGC)« vorlägen. Die »Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen und Einzelpersonen im In- und Ausland« stelle »den Schwer­punkt iranischer nachrichtendienstlicher Aktivitäten dar«.

Ziel der Konferenz war es Bahamad zufolge, »ein progressives Bündnis aus politischen und zivilen Aktivist:innen aufzubauen und als neue Stimme in der iranischen Politik aufzutreten«. Über 100 Unterstützer:innen kamen zusammen, um über die Zukunft des Bahamad-Bündnisses zu diskutieren und an verschiedenen Workshops teilzunehmen. Namhafte Kritiker:innen wie Mina Ahadi, die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, boten Workshops an. »Mündlich überlieferte Geschichte über den Kampf gegen den politischen Islam« lautete der Titel eines Workshops. Der deutsch-iranische Politologe Ali Fathollah-Nejad referierte darin über »relevante politische Prozesse in Deutschland und Europa in Bezug auf den Iran«.

Einer der Initiatoren der Konferenz ist der gerade mal 22jährige Ali Khademolhosseini. Der Jungle World schilderte er das Konzept: Man arbeite in vier Gruppen, jeweils zum Thema Werte, Ziele, Strategie und Struktur. Khademolhosseini zufolge gehe es darum, einen gemeinsamen Nenner zu finden; die Teilnehmenden kämen aus den unterschiedlichsten politischen Richtungen. »Wir haben Linksradikale und Anarchisten dabei, aber auch einige Monarchisten, die rechtsliberal oder konservativ sind – dennoch arbeiten wir zusammen, hören uns zu und versuchen, uns auf das Große zu einigen.« Am Ende der Konferenz sollte ein gemeinsam verfasstes Manifest stehen, das sich auf säkulare und demokratische Werte bezieht, fertig geworden ist man damit allerdings nicht.

Die für die Konferenz zuständige Pressesprecherin, Farieba Hashemi, ist im Rheinland aufgewachsen. Politisch interessiert sei sie schon immer gewesen, organisiert habe sie sich jedoch erst nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini durch die Sittenpolizei im vergangenen September, sagte sie der Jungle World. Seither sind nach Angaben der Human Rights Activists News Agency (HRANA) mindestens 530 Protestierende getötet worden, 19 763 wurden verhaftet und 105 sind von der Todesstrafe bedroht.

Hashemi zufolge war der Widerstand in der Diaspora jahrzehntelang fragmentiert, weil die Revolution 1979 schiefgelaufen sei und zur Errichtung einer islamischen Diktatur geführt habe. Bis heute herrsche zwischen den verschiedenen Oppositionsgruppen tiefes Misstrauen. 44 Jahre nach dem Sturz des Schah will man es nun besser machen. Das Misstrauen soll überwunden werden, eine neue Oppositionskoalition soll entstehen – das persische Wort »baham« bedeutet »zusammen«.

Hashemi ist sich sicher: Man könne aus den Fehlern von 1979 lernen. Schon lange gehe es in der Opposition nicht mehr um die Frage, »ob das Mullah-Regime gestürzt wird, sondern was danach kommt«, sagt Hashemi. Diese Einschätzung deckt sich mit den Ergebnissen einer Umfrage. Die kürzlich veröffentlichte Studie »Iranian’s Attitudes Toward the 2022 Nationwide Protests« der niederländischen Forscher Ammar Maleki und Pooyan Tamimi Arab kommt zu dem Schluss, dass 81 Prozent der Iraner:innen die Islamische Repu­blik ablehnten; drei Viertel der Befragten leben im Iran, ein Viertel im Ausland. Zudem unterstützten vier von fünf Iraner:innen der Studie zufolge die Proteste und 67 Prozent seien von einem Erfolg derselben überzeugt.

Erst im Dezember hatten die BBC und der Spiegel über geleakte Tonaufnahmen berichtet, in denen hochrangige Regimevertreter ihre Sorgen wegen der anhaltenden Proteste zum Ausdruck brachten (Jungle World 49/2022). »Wir haben ein Problem mit dem Dominoeffekt, der von Frauen ausgeht, die ihre Kopftücher in den sozialen Medien und überall ablegen und das Ganze normalisieren«, sagte Ghasem Ghoreyshi, ein Vertrauter von Ayatollah Ali Khamenei, in der Aufnahme.

Die Kritik der deutschen Regierung am Regime wird zwar seit einiger Zeit schärfer, doch die tatsächlich getroffenen Maßnahmen sind noch zurückhaltend. Nach dem Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd am 21. Februar erklärte Außenministerin Annalena Baerbock zwei Angehörige der iranischen Botschaft zu »unerwünschten Personen«. Die EU hat vergangene Woche Sanktionen gegen das Regime ausgeweitet.

Doch handele es sich dabei, so der Tenor der Konferenzteilnehmer:innen, nur um Symbolpolitik. Im Panel von Fathollah-Nejad sagt eine Teilnehmerin, ihre größte Sorge sei Ali Khamenei. Sie fragt: »Wie bekommen wir ihn weg? Baerbock ist ungeeignet für den Job.« Ein anderer Konferenzteilnehmer namens Armin erzählt davon, wie er und andere Aktivist:innen 70 Tage vor dem Bundestag mit der Forderung, iranische Diplomaten ausweisen zu lassen, gecampt und protestiert hätten. Doch »wir mussten feststellen, dass wir auf uns alleine gestellt sind«. Teilnehme­r:innen der Konferenz forderten unter anderem die Aufnahme der Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste, die endgültige Beendigung der Atomvereinbarung von 2015 und die ökonomische Isolierung des Regimes.

Weitere Diskussionsthemen waren die jüngsten Annäherungsversuche zwischen Russland und dem Iran sowie die Proliferation und die weitergehende Produktion von hochangereichertem Uran (siehe auch Seite 13), das dem Iran zur Atombombe verhelfen könnte. In den Panels ging es auch um die Frage der Mobilisierung: Wie kann die Ablehnung des Regimes in wirksame politische Praxis übersetzt werden? Obwohl sich nach Angaben der HRANA seit September Hunderttausende Menschen an landesweit über 1 280 Demonstrationen beteiligt hätten, brauche es Streiks, mehr Menschen auf den Straßen – und die Unterstützung der westlichen Staaten.