Antiamerikanismus verbindet Rechtsextreme mit vielen Linken

Der Ami macht den Reibach

Sahra Wagenknecht will eine »neue Friedensbewegung« anführen und bekommt dafür Beifall von Rechtsextremen. Diese verbindet mit Teilen der Linken vor allem ihr Antiamerikanismus.
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Um kurz nach 15 Uhr beendete Sahra Wagenknecht ihre Rede im Berliner Schneetreiben: »Lasst uns heute den Startschuss für eine neue, starke Friedensbewegung in Deutschland geben!« Die Menge jubelte. Viele hielten Plakate mit Friedenssymbolen in den Himmel, andere schwenkten deutsche oder russische Nationalflaggen. Mehr als 10 000 Menschen versammelten sich am 25. Februar zum »Aufstand für Frieden« vor dem Brandenburger Tor.

Neu ist die von Wagenknecht beschworene Bewegung allerdings nicht. Die von ihr maßgeblich initiierte Demonstration steht vielmehr im Kontext einer sich spätestens seit 2014 vollziehenden Entwicklung. Nach der russischen Annexion der Krim wurden damals auf von der linken Friedensbewegung ausgehenden sogenannten Mahnwachen für den Frieden deutschlandweit verschwörungstheoretische oder rechtsextreme Inhalte verbreitet. Nicht Russland wurde für den Krieg im Donbass verantwortlich gemacht, sondern die Nato und die USA. Viele, die so dachten und die Mahnwachen begrüßten, schlossen sich ab 2020 den Coronaprotesten an.

Wagenknecht und Alice Schwarzer waren zuvor, nicht zuletzt von der Parteiführung der »Linken«, dafür kritisiert worden, sich nicht ausreichend von rechtsextremen Unterstützern distanziert zu haben. Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla bewarb die dazugehörige Petition (»Manifest für Frieden«), Björn Höcke, Landesvor­sitzender der AfD Thüringen, rief am Vorabend in Dresden zur Teilnahme an der Kundgebung auf und lud Wagenknecht ein, seiner Partei beizutreten. Jürgen Elsässer und Unterstützer seines Magazins Compact kündigten ihr Kommen an.

Doch statt sich die Frage zu stellen, weshalb die eigenen Forderungen von Rechtsextremen so positiv aufgenommen werden, bemängelte Wagenknecht in ihrer Rede, Schwarzer und sie seien Ziel einer »Kampagne«. Man versuche, sie »in die Nähe der extremen Rechten zu rücken«. Sie betonte: »Selbstverständlich haben Neo­nazis und Reichsbürger (…) auf unserer Friedenskundgebung nichts zu suchen.« Zu diesem Zeitpunkt waren zahlreiche rechte bis rechtsextreme Akteure persönlich bei der Kundgebung zugegen, darunter bekannte Holocaustleugner wie der rechtsextreme ­Videoblogger Nikolai Nerling.

Nur zu fragen, ob Wagenknechts Distanzierung glaubhaft ist oder nicht, greift jedoch zu kurz. Wichtiger ist die Frage, was die in Berlin vertretenen Milieus inhaltlich eint. Viele antiimperialistische Linke, Verschwörungsgläubige und Rechte teilen einen ausgeprägten Antiamerikanismus. Seit Jahrzehnten machen sie die USA verantwortlich für so ziemlich jedes Krisenphänomen auf dem Planeten. Slogans wie »Ami go home!«, wie sie die Friedensbewegung von den sechziger bis in die frühen neunziger Jahre prägten, erfreuen sich heutzutage wieder großer Beliebtheit.

Wagenknecht kritisierte in Berlin, die US-Regierung habe langjährige Verträge mit Rüstungskonzernen abgeschlossen und feuere den Krieg immer weiter an. In Wahrheit gehe es nicht um »hehre Werte«, sondern lediglich »um die Nato und den Umfang der amerikanischen Einflusszone«. So spricht in der Partei nicht nur Wagenknecht. Am 27. Januar etwa rief die menschenrechtspolitische Sprecherin der Linkspartei-Fraktion im Bundestag, Żaklin Nastić, ihren Zuhörer:innen auf einer Kundgebung des Vereins Friedens­koordination in Berlin entgegen: »Natürlich machen die USA ­gerade den Reibach!«

Andere stellen Deutschland als Opfer der US-Politik dar. Als die Bundesregierung ankündigte, Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern, schrieb die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen auf Twitter: »Die USA schicken Deutschland wie einen Vasallen ins Feuer. Entscheidung der Ampel auf Geheiß Washingtons bereitet Deutschland den Weg in den Krieg.«

Aussagen dieser Art sind ebenso auf rechten oder verschwörungstheoretischen Protesten zu hören. Diese sind auch durch russische Propaganda beeinflusst, die Russland als Opfer der von den USA ausgehenden antirussischen Politik des Westens darstellt. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach in einer Rede vor einem Jahr von den westlichen Ländern als dem »Imperium der Lügen«.

Im Bild einer nach weltweiter Herrschaft strebenden bös­artigen Macht, die mit verschiedenen als bedrohlich wahrgenommen gesellschaftlichen Entwicklungen verknüpft wird, zeigt sich die Bedeutung des Antiamerikanismus für die Proteste. Björn Höcke sprach im vergangenen Herbst in einer Rede vom westlichen »­Regenbogen-Imperium« und beklagte, die USA hätten das gute Verhältnis Deutschlands zu Russland, welches der »natürliche Partner unser Arbeits- und Lebensweise wäre«, zerstört.

Was da in Berlin zusammenfand, gehört also auch zusammen. Offen ist, ob es in den kommenden Monaten zu weiteren großen Demonstrationen kommen wird, auf denen sich Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker mit linken Antiamerikanern gemeinsam marschieren. Anders als auf regionaler Ebene, wo sich solche Bündnisse seit Jahren verfestigen, waren es bisher meist nur bestimmte Ereignisse wie kürzlich die Münchner Sicherheitskonferenz oder der Jahrestag der russischen Invasion, die Menschen aus diesen Lagern in großer Zahl zusammenbrachten.