Von der Spaltung der Linkspartei könnten beide Parteilager profitieren

Von Marx zu Bismarcks

Was kümmert mich der Dax Von

Wenn eine Partei gerade einmal um die fünf Prozent der Stimmen erreicht, hat sie nach einer Spaltung keine Chance mehr auf Einzug in Bundestag und Landesparlamente – vor allem diese scheinbar logische Erwägung lässt die Führung der Linkspartei wohl zögern, sich endlich von Sahra Wagenknecht und ihrer Gefolgschaft zu trennen. Es gibt jedoch gute Gründe für die Annahme, dass beide Fraktionen getrennt jeweils weit bessere Ergebnisse erzielen könnten als derzeit gemeinsam.

Mittlerweile ist offenkundig, dass der Wagenknecht-Flügel ein nationalistisches Projekt der Klassenkollaboration anstrebt, das mit linker Politik nichts mehr zu tun hat. »Wir sind kein Amiland, sondern Deutschland / Vom Alten Fritz geht das bis Marx / Von Luther bis Beethoven, Kant / Den Sozialstaatsgesetzen Bismarcks. (…) Zwar wurd’ hier viel Scheiß auch gebaut / Doch im Arsch anderer ist’s auch nicht schön.« Dichterisch ist da noch Luft nach oben, doch Diether Dehms Song »Ami go home« ist eine gute Zusammenfassung des »Aufstand für Frieden«-Weltbilds und zeigt, welche »Leerstelle« (Wagenknecht) die neue Partei besetzen kann: Nationalismus ohne NS-Nostalgie, die AfD kriegt das ja nicht hin.

Man will sich als Angehöriger einer bedrohten Kulturnation fühlen, hier wären in Zukunft noch die Chancen der Zusammenarbeit zwischen den sich ergänzenden bodenständigen Mächten Eurasiens, dem geistreichen Deutschland und dem spirituellen Russland, im Abwehrkampf gegen perfide angelsächsische Zumutungen wie Gendersternchen näher auszuführen. Der Antiamerikanismus harmoniert mit antiglobalistischer Rhetorik und der nun offen propagierten Verteidigung des deutschen »Mittelstands«.

Mit hoher Professionalität betreibt Wagenknecht rechte Identitätspolitik für alle, die über Trans-Personen die Nase rümpfen, aber als sozial engagiert und nicht als reaktionär gelten wollen. Das kann rechte Sozialdemokrat:innen ebenso anziehen wie AfD-Anhänger:innen, denen ihre Partei manchmal doch etwas zu krass ist, aber auch das Kirchentagsmilieu, Verschwörungstheoretiker:innen und viele anderen Gruppen – der Anti­amerikanismus ist eine Vereinigungsideologie, die politisch seit Gerhard Schröders Tagen kaum mehr genutzt wurde.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Linkspartei den Neuanfang nach dem Abgang des Wagenknecht-Flügels verpatzt. Doch trotz der Fraktionierung und Bürokratisierung scheint der Grauschleier des Stumpfsinns die ­Partei nicht ganz so undurchdringlich überzogen zu haben wie die SPD. Die Leerstelle ist hier die Verbindung von sozialer und ökologischer Frage. Da eine Abkehr der Grünen von wirtschaftsliberalen Dogmen derzeit ausgeschlossen ist, gibt es Raum für eine linke Partei, deren Programm ökosozialistisch und kosmopolitisch ist, was ihr im Fall einer Regierungsbeteiligung die Rolle geben würde, unter anderem staatskapitalistische Klimapolitik im Inland und eine konsequente Demokratieförderung in der Außenpolitik durchzusetzen. Zu verlieren hat die Linkspartei jedenfalls wenig. Getrennt kann man scheitern, gemeinsam ist man schon gescheitert.