Petra Ott, Bundesverband ehrenamtliche Richterinnen und Richter, über die Versuche rechter Einflussnahme auf Schöffenwahlen

»Schöffen sind mit dem Berufsrichter gleichberechtigt«

Dieses Jahr stehen Schöffenwahlen für den Amtszeitraum 2024 bis 2028 an. Als ehrenamtliche Richter:innen haben Schöff:innen einen großen Einfluss auf den Ausgang von Strafprozessen. Rechtsextreme rufen ihre Anhänger:innen dazu auf, sich aufstellen zu lassen. Die Jungle World sprach mit Petra Ott, der stellvertretenden Vorsitzenden des Bundesverbands ehrenamtliche Richterinnen und Richter e. V., über die Versuche rechter Einflussnahme auf Schöffenwahlen.
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Wissen Sie von Versuchen Rechtsextremer, sich für Schöffenwahlen aufstellen zu lassen?
Ja, uns wurde von verschiedenen Landesverbänden Hinweise gegeben. Der Kreisverband Nordsachsen der AfD rief beispielsweise im Januar dazu auf, sich für die anstehenden Schöffenwahlen zu bewerben. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Aufruf der AfD fanden laut unseren Landesverbänden in den Kreisverbänden verschiedener demokratischer Parteien Informationsveranstaltungen statt, beziehungsweise wurden über Informationsveranstaltungen der Volkshochschulen geeignete Interessierte gesucht. Konkret gab es zum Beispiel in Berlin eine Veranstaltung der Grünen.

Welche Befugnisse und Einflussmöglichkeiten haben Schöffen generell?
Schöffen haben das Recht zur Akteneinsicht und zur Kenntnisnahme der wesentlichen Ergebnisse der Ermittlungen. Schöffen sind – in der Hauptverhandlung – mit dem Berufsrichter gleichberechtigt, sowohl bei der Urteilsfindung als auch bei der Festsetzung des Strafmaßes. Zwei Schöffen fällen zusammen mit – je nach Gerichtsgröße – einem bis drei Berufsrichtern das Urteil. Da für ein Urteil eine Zweidrittelmehrheit benötigt wird, können die Berufsrichter bei den meisten Strafverfahren nicht an den Schöffen vorbei entscheiden. Im Gegenteil: Am Amtsgericht und in der Kleinen Strafkammer des Landgerichts kann der Berufsrichter von den Laien überstimmt werden. Denn dort urteilt ein Berufsrichter zusammen mit zwei ehrenamtlichen Richtern.

Was muss man tun, um selbst Schöffe zu werden?
Auf unserer Homepage schoeffenwahl2023.de haben wir die Kriterien aufgeführt, die Interessierte erfüllen müssen. Prinzipiell kann sich bewerben, wer zwischen 25 und 70 Jahre alt ist, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, nicht juristisch ausgebildet ist, straffrei ist und nicht gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat. Ein Ausschlusskriterium ist zum Beispiel eine frühere Mitarbeit im Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Der Bewerbungsprozess wird von Stadt- und Gemeindeverwaltungen organisiert, dort bekommt man auch alle nötigen Informationen. In einigen Kommunen ist die Bewerbungsfrist allerdings schon abgelaufen oder endet bald, in Leipzig beispielsweise geht sie bis Ende März.

Gibt es Zugangsbeschränkungen und Regeln, die verhindern, dass Neonazis sich für das Schöffenamt zu bewerben?
Die Bewerbung an sich kann nicht verhindert werden, da dies erst einmal jedem offen steht, der die eben genannten Voraussetzungen erfüllt. Der Schöffenwahlausschuss (der an jedem Amtsgericht aus einer Richterin, einem Verwaltungsbeamten und sieben gewählten Personen gebildet wird und die Schöffen auswählt, Anm. d. Red.), hat jedoch die Möglichkeit, Interessierte auf Grund bekannter nichtrechtsstaatlicher Gesinnungen von der Schöffenwahlliste zu streichen. Als Bundesverband betreiben wir aktiv Informationskampagnen, um geeignete – auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit stehende – Interessenten zu finden.

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